Abschätzung von Oberflächenabflussbeiwerten bei konvektiven Starkregen - Evaluation der Geländeanleitung von Markart et al. (2004) für Schweizerische Einzugsgebiete
Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die für den österreichischen und bayerischen Ostalpenraum entwickelte Geländeanleitung zur Abschätzung des Oberflächenabflussbeiwertes auf alpinen Boden-/Vegetationseinheiten bei konvektiven Starkregen von Markart et al. (2004), im Folgenden auch kurz ¿Geländeanleitung¿ genannt. Ihre spezielle Ausrichtung auf Wildbacheinzugsgebiete im Alpenraum macht sie für die Hochwasserabschätzung in mikroskaligen und kleinen mesoskaligen Einzugsgebieten (<10 km2) der Schweiz ohne Direktmessung zu einer besonders interessanten Grundlage. Sie verspricht vertieften Einblick in das System Wildbach, insbesondere bei Oberflächenabflussprozessen und dynamischen Reaktionen bei konvektiven Starkniederschlägen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Übertragbarkeit der Geländeanleitung auf Schweizerische Einzugsgebiete geprüft. Basis dafür bildeten sechs Einzugsgebiete des nördlichen Alpenraumes, aus denen bereits viele Grundlagendaten, sowie Erkenntnisse über andere Abschätzverfahren vorliegen. Die Ergebnisse sollten zudem einen Beitrag zum Projekt ¿Hochwasserabschätzungen in kleinen Einzugsgebieten der Schweiz ¿ Interpretations- und Praxishilfe¿ (Dobmann 2009) leisten.
Für jedes der sechs Testgebiete erfolgten mehrere Feldbegehungen mit direkter Anwendung der Geländeanleitung im Gelände. Bereits während der Vorbereitungen galt es, die charakteristischen Eigenschaften eines Einzugsgebietes im GIS zu erfassen, abflussrelevante Bereiche herauszuarbeiten und vorauszuscheiden. Im Zuge der Geländebegehung erfolgte die definitive Bewertung und Ausscheidung einzelner Teilflächen unter Zuordnung von Abflussbeiwerten und Rauigkeitsbeiwerten. Das Vorgehen basiert auf der schrittweisen Abschätzung folgender Indikatoren:
- Vegetation (hydrologische Vegetationsform und Zeigerwerte einzelner Pflanzen)
- Bodeneigenschaften und
- Art und Intensität der Landnutzung.
Die im Feld ausgeschiedenen beitragenden Flächen und die an gebietsrepräsentativen hydrologischen Vegetationsformen nach dem Aufnahmeformular von MARKART et al. (2004) erfassten Standortsinformationen dienten schließlich als Grundlage der Erstellung digitaler Abflussbeiwert- und Rauigkeitskarten und der Berechnung von Bemessungsabflüssen mit dem N/A-Modell ZEMOKOST (optimiertes Laufzeitverfahren nach ZELLER = Zeller modifiziert von Kohl und Stepanek). Als Ergebnis stehen für die Test-Einzugsgebiete Angaben zur Hochwasserdisposition und konkrete Abflussganglinien (Abflussspitze und -fracht) zur Verfügung.
Die Analyse und Auswertung der Ergebnisse zeigte deutlich, dass sich sowohl die Geländeanleitung als auch ZEMOKOST durchaus für die Umsetzung in Wildbacheinzugsgebieten des Schweizerischen Alpennordrandes eignen. Die mit der Grundlage nach Markart et al. (2004) und der Vorgangsweise von Stepanek et al. (2004) erzielten Ergebnisse wurden mit nach anderen Ansätzen erzielten Berechnungsergebnissen verglichen. Dabei wurden gut reproduzierbare Ergebnisse erzielt. Die Verwendung der Methoden kann daher empfohlen werden. In der Geländeanleitung nicht enthaltene hydrologische Vegetations- bzw. Nutzungsformen wurden im Rahmen der gegenständlichen Erhebungen erfasst und aufgrund von Literaturangaben bzw. Analogieschlüssen bewertet. Zudem wurden Vorschläge zur Optimierung der Anleitung bzw. der Vorgehensweise und Über tragung auf die Verhältnisse der Schweiz formuliert. Diese Vorschläge werden in die für 2012 geplante Ausgabe der Version 2.0 der Geländeanleitung eingearbeitet und Vorschläge für die Optimierung der Benutzerfreundlichkeit des N/A-Modells ZEMOKOST bei der bevorstehenden Operationalisierung berücksichtigt.
Schlüsselworte: Abflussbeiwert, Landnutzung, N/A-Modellierung, Starkregen The presented work is based on the code of practice for assessment of surface runoff coefficients of alpine vegetation/soil units in torrential rain developed by Markart et al. (2004) for the Eastern Alps in Bavaria, South Tyrol and Austria. The code of practice has been designed for alpine torrent catchments and therefore forms an interesting approach for flood water assessment at the microscale and at the mesoscale (<10 km2) in Switzerland. The approach offers a deeper insight into torrential systems especially for runoff processes dominated by surface runoff and dynamic reactions in torrential rain. The paper focuses on the check of the transferability of the code of practice to swiss catchments. The investigations were done in six catchments in the northern Swiss Alps. From these testbeds a lot of basic data and knowledge from the use of other runoff estimation procedures are available. The new results in addition form an important contribution to the project ¿Flood water assessment in small catchment areas of Switzerland ¿ interpretation manual and practical aid¿ (Dobmann 2009).
Characteristic features of the catchments have been analysed by use of a GIS-system, a work which also comprised the delineation of runoff relevant areas. This work was followed by surveys with direct application of the code of practice in the field. Field work in addition comprised classification of areas contributing to runoff and assignment of surface runoff coefficients and surface roughness coefficients by use of following indicators:
- Vegetation (hydrologic vegetation unit and plant indicator values)
- Soil (physical) characteristics
- Way and intensity of land use
The runoff contributing areas delineated in the field and the site information were compiled in digital surface runoff coefficient maps and surface roughness maps. These maps formed the basis for calculation of recurrent design events by use of the precipitation/runoff model (P/R-model) ZEMOKOST (optimized runtime method after ZELLER = ZEller MOdfied by KOhl and STepanek). The results are concrete information about runoff disposition in each catchment and hydrographs showing peak runoff and runoff freight. Analysis of the results showed that code of practice as well as ZEMOKOST are suitable for application in catchments at the northern edge of the Swiss Alps. In addition comparison with swiss standard methods indicates good reproducibility of the Austrian approach, it can be recommended for practical use in good conscience. Vegetation units and types of land use not yet contained in the code of practice by Markart et al. (2004) have been listed and evaluated by use of information from literature or conclusions by analogy, helpful suggestions for adaptation of the manual and the modus operandi for the realities in Switzerland have been formulated. The proposals will be considered in a revised version of the code of practice planned for 2011 and in future versions of the P/R-model ZEMOKOST.
Keywords: runoff coefficient, landuse, P/R-modeling, torrential rain 1. Einleitung und Zielsetzung; 1.1 Hochwasserhydrologie in der Schweiz ; 1.2 Stand der Forschung ; 1.3 Problemstellung ; 1.4 Zielsetzung; 1.5 Gliederung der Arbeit; 2. Fachliche Grundlagen; 2.1 Das System Wildbach; 2.2 Vegetation; 2.2.1 Hydrologische Vegetationsformen und ihre Abflusseigenschaften; 2.2.2 Indikatorwirkungen von Pflanzen (Feuchtezahl) ; 2.2.3 Vegetationsgesellschaften des Alpenraumes; 2.3 Böden ; 2.3.1 Abfluss im Boden ; 2.4 Geologie ; 2.4.1 Durchlässigkeit und Chemismus des Gesteins; 2.4.2 Gerinnenetzdichte; 2.5 Relief und Neigung; 2.6 Abflussbildung; 2.6.1 Abflussbildung am Hang ; 2.6.2 Abflussbildung im Gerinne; 2.6.3 Die Abflussganglinie eines Einzugsgebietes; 3. Methoden ; 3.1 Die Geländeanleitung von Markart et al. (2004) ; 3.1.1 Ziele und Inhalt der Geländeanleitung; 3.1.2 Gültigkeitsbereich der Geländeanleitung; 3.1.3 Aufbau der Geländeanleitung; 3.2 Der Abflussbeiwert nach Rickli und Forster (1997) ; 3.2.1 Ziele und Aufbau ; 3.2.2 Gültigkeitsbereich; 3.3 ZEMOKOST; 4. Hochwasserabschätzung - Vorgangsweise (erweiterte Methode) ; 4.1 Verwendete Grundlagen - Aussagekraft ; 4.1.1 Karten und Geländedaten ; 4.1.2 Niederschlagsdaten ; 4.1.3 Thematische Grundlagen; 4.2 Einzugsgebietsübersicht und Flächengliederung; 4.2.1 Gliederung der Teileinzugsgebiete ; 4.2.2 Vegetation; 4.2.3 Substrat/Boden ; 4.2.4 Geologie ; 4.2.5 Kleingerinnenetz/Vernässung; 4.2.6 Bewirtschaftung/Nutzung; 4.2.7 Systemzustand; 4.3 Feldbegehung ; 4.3.1 Gerinnebeurteilung; 4.3.2 Abschätzung I; 4.3.3 Abschätzung II; 4.4 Anwendung des Programms ZEMOKOST; 4.5 HQ-Abschätzung mit der Geländeanleitung und ZEMOKOST am Beispiel Eistlenbach; 4.5.1 Einzugsgebietsübersicht; 4.5.2 Feldbegehung ; 4.5.3 Kartenerstellung; 4.5.4 Hochwasserabschätzung mit ZEMOKOST; 5. Anwendungen; 5.1 Untersuchungsgebiete ; 5.2 Ergebnisse der Anwendung der Geländeanleitung nach Markart et al. (2004) und von ZEMOKOST auf die weiteren Testgebiete; 5.2.1 Dürrenwaldbach; 5.2.2 Witenbach; 5.2.3 Spissibach; 5.2.4 Sperbelgraben; 5.2.5 Hostetbach; Kartenerstellung; Hochwasserabschätzung mit ZEMOKOST; 5.2.6 Vergleich der Einzugsgebiete ; 5.2.7 Feststellungen zum Vergleich der Abschätzung nach Markart et al. (2004) mit jener nach Rickli und Forster (1997) ; 6. Ergebnisse und Analyse; 6.1 Die Abflussbeiwerte; 6.1.1 Vergleich mit gemessenen Abflussbeiwerten; 6.1.2 Die Abflussbeiwerte nach Rickli und Forster (1997); 6.2 Resultate der HQ-Abschätzungen; 6.2.1 Der Einfluss des Niederschlagsinputs; 6.2.2 Der Einfluss der Abflussbeiwert- und Rauigkeitsklassen in ZEMOKOST; 6.2.3 Die HQ100-Vergleichswerte aus anderen Abschätzungsverfahren ; 6.2.4 Einordnen der HQ100-Berechnungsergebnisse in Hochwasserabflüsse der Schweiz ; 6.3 Analyse der Abflussspenden ; 6.4 Analyse von zwei Teileinzugsgebieten am Beispiel des Spissibaches; 6.5 Diskussion ; 7. Erfahrungen aus den Berechnungen mit ZEMOKOST; 8. Synthese ; 8.1 Vorschläge für eine Adaptierung und Erweiterung der Geländeanleitung von Markart et al. (2004); 8.2 Vorschläge zur Optimierung von ZEMOKOST im Hinblick auf weitere Anwendungen in der Schweiz.; 9. Fazit und Ausblick; 10. Literaturverzeichnis; 10.1 Literatur ; 10.2 Karten und digitale Daten; 10.3 Internet ; 11. Anhang; 11.1 Beilagen der Feldbegehung ; 11.2 ZEMOKOST (HQx-Berechnungen) ; Abbildungsverzeichnis; Tabellenverzeichnis