Im hessischen Ried haben sich im Laufe der Zeit nachweisbare Veraenderungen des Wasserhaushalts ergeben. Besonders gravierend trat dies in den Siebziger Jahren zum Vorschein, als infolge regional starker Grundwasserabsenkungen ausgepraegte Waldschaeden sowie Setzungsrisse an Gebaeuden auftraten, die auf bindigen Boeden und Torfen gegruendet worden waren. Ursaechlich waren damals in erster Linie die Auswirkungen der Grundwasserfoerderung, ueberlagert durch die niederschlagsarmen Jahre 1971 bis 1976, fuer den um mehrere Meter gesunkenen Grundwasserspiegel verantwortlich. Man ist versucht, dies als Erklaerung fuer die insgesamt veraenderte Wasserhaushaltssituation im hessischen Ried zu sehen. Ein Rueckblick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass unter Bereucksichtigung des Zeitfaktors das hessische Ried bereits naturbedingt gewaltigen Veraenderungen unterworfen war und des weiteren durch menschliche Eingriffe in den Wasserhaushalt das Landschaftsgefuege beeinflusst wurde. Eine Veraenderung des Wasserhaushalts duerfte mit Beginn der ersten Dammbauten und Meliorationsmassnahmen eingesetzt haben. Bis zu den augenscheinlich auftretenden Auswirkungen der letzten Jahrzehnte liegen jedoch viele Schritte dazwischen, die im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigt werden sollten. Erste Hochwasserschutzmassnahmen, wie die Anlage von Daemmen, verminderten die Gefahr durch die alljaehrlichen Ueberschwemmungen und liessen das Wasser in den Fliessgewaessern des Rieds schneller dem Rhein zufliessen. Die Anlage von Graeben, die bereits um 1900 zu einem dichten Netz ausgebaut waren, verstaerkten den Prozess der Wasserabfuehrung und fuehrten zu einer trockneren oberen Bodenschicht, da in regenreichen Jahren der Wasseranstieg gekappt wurde. Eine effektivere Drainage bewirkte der Einbau von Schleusen und Pumpwerken in Zusammenhang mit der Realisierung des Generalkulutplanes, der eine systematische Entwaesserung des Rieds vorsah. Die Begradigung des Rheinlaufes verursachte nachweislich eine, mit der Vertiefung der rheinsohle einhergehende, Absenkung des Grundwasserspiegels. Die fehlenden Ueberschwemmungen infolge des Rheinausbaus und der wasserbaulichen Massnahmen an den Odenwaldbaechen verhinderten, dass weite Landstriche fuer laengere Zeit unter Wasser standen, was in der Vergangenheit vermutlich zu einer hoeheren Grundwasserneubildungsrate beigetragen hat. Die genannten Massnahmen erfolgten ueber einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren. Nimmt man nur einen Zeitabschnitt von zwanzig, dreissig oder vierzig Jahren heraus, um den Gang des Grundwassers zu interpretieren, entsteht ein Bild, dem die Komplexitaet der Zusammenhaenge fehlt. Die langsam absinkenden Grundwasserstaende werden bei der Beobachtung eines kurzen Zeitraumes meist mit dem klimatischen Faktor Niederschlag und dem Einfluss der Grundwasserentnahmen erklaert. Reicht der Untersuchungszeitraum jedoch weiter in die Vergangenheit zurueck und betrachtet man den Wasserhaushalt nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der Landschaft und seinen mannigfaltigen Beziehungen und Verflechtungen, kommt man zu dem Schluss, dass eine Vielzahl von Faktoren in ihrer Summe den Wasserhaushalt im hessischen Ried beeinflusst haben. Quantifizieren lassen sich die einflussnehmenden Faktoren im Rahmen dieser Arbeit nicht. Das in frueheren Jahren bestehende Zusammenspiel von Wasserzufuhr und -abfuhr im Ried wurde vermutlich insofern gestoert, als dass sich der Grundwasserspiegel durch die Interaktion aller genannten Einflussnahmen nicht mehr auf den alten Stand erholen kann.