Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein in sich geschlossenes Konzept zur Erfassung und Beobachtung des ökologischen Zustandes von Naturwaldreservaten zu entwickeln, das insbesondere für die bayerischen Naturwaldreservate in der Praxis anwendbar ist. Als Grundlage des zu entwickelnden Forschungskonzeptes werden die Entstehungsgeschichte der Reservatsidee, der rechtliche Status und die ursprünglichen Aufgaben von Naturwaldreservaten dargestellt. Die Prüfung der Frage, ob inselökologische Prinzipien bei der Forschung in Naturwaldreservaten zu beachten sind, führt zu dem Ergebnis, dass Inseleigenschaften und Inseleffekte partiell vorhanden sind. Art und Grad ihrer Ausprägung verringern das Artenspektrum (stenoeke Arten) und Begrenzen die Auswahl der zu untersuchenden Tierarten. Sie führen zu mehr oder weniger erkennbaren Störungen des Systems durch Randzoneneinflüsse, lassen es jedoch nicht zu, Naturwaldreservate in der Forschung als Inseln zu betrachten. Wissenschaftstheoretische Grundüberlegungen münden in der Erkenntnis, dass die waldökologische Forschung sich eines stufenweisen Vorgehens zu bedienen hat, in dem induktive und deduktive Elemente miteinander kombiniert werden. Ökosystem- und Chaostheorie wirken auf das zu entwickelnde Forschungskonzept. Zu erfassen und langfristig zu beobachten ist danach die ganze Breite der Ökosystemkompartimente: der Boden (Nährstoffe, Wasser, Dauerhumus, Zersetzer), die Vegetation, vor allem die Waldbäume (Produzenten, Raumstruktur), die Fauna (Konsumenten). Besondere Beachtung müssen die langfristig stabilen Systemkompartimente, der Boden und die Waldbäume finden. Die Bedeutung der kurzlebigen und mobilen Organismengruppen (vor allem der Fauna) liegt dagegen mehr in einer indirekten Zustandsbeschreibung und in einem integralen System-Monitoring. Mit "chaotischem Verhalten" der zu beobachtenden Systeme und Subsysteme muss gerechnet werden. Dennoch ist die Erfassung der hier messbaren Parameter (ähnlich wie in der Meteorologie!) sinnvoll und kann zu neuen Erkenntnissen führen. Vorsicht ist allerdings bei der kausalen Interpretation chaotisch erscheinender Veränderungen und bei Prognosen (Spekulationen) über die künftige Entwicklung von Naturwaldreservaten geboten. Für das Forschungskonzept ergibt sich daraus der Zwang, die funktionalen Systemzusammenhänge zwischen den einzelnen Kompartimenten (z.B. zwischen Bodenentwicklung und Bodenvegetation) durch geeignete Probeflächenwahl und die Möglichkeit der Datenvernetzung erkennbar zu machen. Besondere Bedeutung gewinnen wald- und nutzungsgeschichtliche Untersuchungen zur Erklärung des heutigen Zustands, als Basis für künftige Dauerbeobachtungen.