Eine standardisierte und reproduzierbare Bewertung der Naturnähe und damit der Schutzwürdigkeit mitteleuropäischer Waldökosysteme ist generell schwierig. Sos sind fast sämtliche Wälder selbst im Alpenraum durch die jahrhundertlange menschliche Einflußnahme in ihrer Baumartenzusammensetzung und Altersstruktur stark verändert und selbst vom Erscheinungsbild hier naturnahe wirkende Waldbereiche waren - wie pollenanalytische Daten beweisen - noch vor relativ kurzer Zeit Kahlschläge oder gar Weideflächen. In eindrucksvoller Weise wird dies z.B. von Kral (1981) für den Durchgangswald im Raurisertal, einer langen Zeit als NWR betrachteten Fichtenbestockung aufgezeigt: So war dieser heute ebenfalls als Naturwaldreservat vorgesehene Bereich noch vor ca. 300 jahren ein wahrscheinlich völlig baumfreies Areal. Nach Hinterstoisser (1993) stellen Naturwaldreservate Waldgebiete dar, die durch die Baumartenzusammensetzung und Bestandesstruktur die natürlichen, ursprünglich unsere Landschaft bestimmenden Vegetationsverhältnisse repräsentieren oder diesem - potentiellen - Zustand sehr nahe kommen. Aufgrund dieser Problematik ist es sinnvoll, für die Bewertung von Wäldern Indikatororganismen heranzuziehen. Dieser Umstand erscheint gerade deshalb von Bedeutung, da die moderne Naturschutzgesetzgebung in bezug auf botanischen Arten- und Biotopschutz primär an Phanerogamen ausgerichtet ist. So biete das derzeit gültige Salzburger Naturschutzgesetz 1993, eines der umfassendsten Naturschutzgesetze Europas, bedrohten Gefäßpflanzen durch den sogenannten Lebensraumschutz ein Maximum an Sicherheit. Der Schutz dieser Lebensräume sichert zwar die für diese Ökosysteme spezifische Pilzflora in gleicher Weise wie jene der Gefäßpflanzen, doch ist der Hauptlebensraum der Pilzflora, nämlich der Wald, von diesen umfassenden Schutzbestimmungen weitestgehend ausgenommen. In der vorliegenden Studie wurden die myko-soziologischen Aspekte der Makromyceltenflora der NWR Kesselfall und Roßwald untersucht, anhand derer eine Standortsbewertung vorgenommen wurde. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß beide Untersuchungsflächen eine überdurchschnittlich artenreiche Pilzflora, mit einem erhöhtem Anteil an selten beobachteten und nur unvollständig bekannten Taxa, aufweisen. Aus der Sicht eines integrierten Biotopschutzes stellen beide NWR mykologisch hochwertige Lebensräume dar, da sowohl zahlreiche Rote-Liste-Arten notiert wurden, als auch Großpilzarten vorhanden sind, die regioanl als sehr selten eingestuft werden können.