In der forstlich-entwicklungspolitischen Diskussion gilt die Förderung der Nutzung und Vermarktung von Nicht-Holz-Waldprodukten (NHWP) als vielversprechender Ansatz, die Ziele "Schutz tropischer Wälder" und "gesellschaftliche Entwicklung" gleichermaßen zu verwirklichen. Als Handlungsfeld der praktischen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) hat die Förderung der NHWP-Wirtschaft bislang jedoch kaum Bedeutung erlangt. In einer zunehmenden Zahl NHWP-bezogener Studien werden zwar viele positive Einzelaspekte dieser Wirtschaftsform dokumentiert. Es bleibt allerdings offen, welche Entwicklungsbeiträge die NHWP-Wirtschaft bei umfangreicher Würdigung nach entwicklungspolitischen Kriterien leistet und welche Förderkonzepte erforderlich sind, um dieses Potenzial im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu nutzen. Ziel der Untersuchung ist es, die Potenziale der NHWP-Wirtschaft als Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit strukturiert darzustellen und ihre Wahrnehmung durch Entscheidungsträger der Entwicklungszusammenarbeit in Paraguay und Bolivien zu analysieren. Hierzu wird zunächst das Entwicklungs-Verständnis des aktuellen Entwicklungsdiskurses (als Austausch zwischen Entwicklungsforschung, Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit) aufgearbeitet. Allgemein gesprochen steht Entwicklung für erwünschte Veränderung, die zumeist mit einem Komplexwerden von Strukturen einhergeht. Dies gilt auch für gesellschaftliche Entwicklung. Dabei wird mit Entwicklung sowohl ein Zustand komplexer Ordnung bezeichnet als auch der Prozess zur Erreichung dieses Ziels. Gesellschaftliche Entwicklung wird verstanden als eine Entfaltung endogener Potenziale, die zu einer als Verbesserung empfundenen Änderung der Lebensverhältnisse führt. Den normativen Gehalt von Entwicklung, so wie sie von Trägern der Entwicklungszusammenarbeit vestanden wird, führen Nohlen & Nuscheler im Magischen Fünfeck der Entwicklung zusammen: Darin schaffen 1) Arbeit und 2) Wachstum die materielle Grundlage von Entwicklung, die jedoch 3) soziale Gerechtigkeit, 4) Partizipation der Menschen am gesellschaftlichen Leben und 5) Eigenständigkeit voraussetzt. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde die Debatte um Ziele und Wege der Entwicklungspolitik zwischen den Grundpositionen einer "Entwicklung durch wirtschaftliches Wachstum" (growth first, redistribution later) und einer "Entwicklung durch den Aufbau sozial gerechter Gesellschaftsstrukturen" (equity first, growth later) geführt. Seit Anfang der 1990er Jahre wird diese Diskussion unter dem Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung geführt. Dieses Konzept umfasst die naturalen Grundlagen, die wirtschaftlichen Aspekte und die soziale Dimension von gesellschaftlichem Wandel. Das heutige Leitbild von gesellschaftlicher Entwicklung ist damit weit komplexer als frühere Entwürfe.