Die ökosoziale Agrarpolitik ruht auf den drei Grundsätzen der Nachhaltigkeit, der fläcendeckenden Bewirtschaftung und der Multifunktionalität. Diese drei Bereiche hat sich auch das Forschungsprogramm der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft angenommen. Nachdem in den beiden vergangenen Jahren die Nachhaltigkeit und die Flächendeckung untersucht worden waren, wird nun gleichsam als Abschluß dieser "Trilogie" diese Arbeit über die Multifunktionalität vorgelegt. Als "Funktionen" werden in diesem Zusammenhang Leistungsbeiträge zu gesellschaftlichen Zielen verstanden; sie können wirtschaftlicher oder überwirtschaftlicher Art sein, Produktions- oder Dienstleistungscharakter tragen. Grundsätzlich sind sämtliche Funktionen der Land- und Forstwirtschaft - die letztere wird in diese Untersuchung voll einbezogen - untereinander gleichwertig; allerdings ist ihr relatives Gewicht in Abhängigkeit vom jeweiligen Standort unterschiedlich. - Die einzelnen Funktionen können aneinander gekoppelt oder mehr oder minder losgelöst voneinander auftreten, wobei in letzter Zeit eine gewisse Entkoppelungstendenz bermerkbar wird, die nicht unproblematisch ist. Im Prinzip impliziert jede Funktion einen Einkommensanspruch, denn ohne Einkommenswirksamkeit ist die Funktionserfüllung gefährdet. Manche Funktionen "ergeben" sich mehr oder minder zwangsläufig aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit, andere müssen direkt angestrebt werden. Manche Funktionen bilden per se eine wirtschaftliche Gewinnchance für die Land- und Forstwirte, andere bedeuten zunächst Erschwernisse und verursachen insofern ökonomische Verluste. Die Erzeugungsfunktion (Nahrungs- und Futtermittel, Rohstoffe und Energieträger) ist zwar nur eine unter vielen Funktionen und auch nicht an jedem Standort die wichtigste; doch nimmt sie insofern eine Sonderstellung ein, als losgelöst von ihr die übrigen Funktionen "in der Luft hängen". Landbewirtschaftung ist zwar wesentlich mehr als Agrarproduktion, aber ohne Agrarproduktion ist sie allenfalls auf Golfplätzen und Schipisten aufrechtzuerhalten. Angesichts der Sackgassen, in die uns eindimensionales, spezialistisches Denken und Handeln im wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereich hineinmanövriert haben, stellt heute ein ganzheitliches, "vernetztes" Denken keinen philosophischen Luxus dar, sonderen eine schlichte gesamtgesellschaftliche Überlebensvoraussetzung mit direkten Konsequenzen für die praktische Politik. In besonderem Maße gilt dies für die Land- und Forstwirtschaft, die auch in hochentwickelten Industrieländern weiterhin die flächenhaft dominierenden Wirtschafts- und Raumnutzungsaktivitäten darstellen und ländliche Räume auch dann in vielfältiger Weise prägen, wenn der Beitrag der biologisch gebundenen "Urproduktion" zu Beschäftigung und regionaler Wirtschaftsleistung nach der herkömmlichen öknomischen Bemessungsweise gering ist und weiterhin zurückgeht.