Die östlichen Teile der Niederen Tauern (Wölzer, Rottenmanner und Triebener Tauern sowie Seckauer Alpen) zeichnen sich durch das gehäufte Vorkommen reliktärer und disjunkt verbreiteter Sippen aus. Deshalb hat das Gebiet auch früh die Aufmerksamkeit zahlreicher Botaniker erregt. Trotzdem sind Verbreitung und Ökologie dieser Sippen nur unzureichend bekannt, nicht zuletzt deshalb, weil meist nur die wenigen berühmten Gebiete (z.B. Seckauer Zinken in den Seckauer Alpen, Hohenwart in den Wölzer Tauern) aufgesucht wurden. Die vorliegende Arbeit versucht, Lücken im Wissen über Feinverbreitung, Ökologie und Gesellschaftsanschluß dieser Taxa zu füllen. Folgende Sippen werden untersucht: Androsace wulfeniana, Anthemis carpatica, Arabis sudetica, Carex foetida, C. norvegica, C. vaginata, Cerastium eriophorum, Cochlearia excelsa, Gentiana frigida, Pedicularis oederi, Primula villosa, Ranunculus crenatus, Saxifraga carpatica, S. hieraciifolia, S. retusa, Tephroseris capitata, Thalictrum alpinum und Viola lutea subsp. sudetica. Für die meisten der untersuchten Arten konnten neue Fundorte festgestellt werden, für andere gelang die Wiederbestätigung alter Angaben. Die Verbreitung der Arten wird auf karten (ca. 1:300.000) dargestellt. Ökologie und Gesellschaftsanschluß jeder Art werden in insgesamt über 200 Vegetationsaufnahmen dokumentiert. Einige Syntaxa, die bisher aus den Ostalpen noch nicht bekannt gewesen sind (z.B. Silenetum noricae, Dryado-Salicetum reticulatae), scheinen auch hier (zumindest in den östlichen Zentralalpen) vorzukommen. Während einige der untersuchten Arten nur einen engen Standortsbereich besiedeln und somit stenök sind (z.B. Cochlearia excelsa. Carex foetida), sind andere ausgesprochen euryök und kommen in vielen verschiedenen Pflanzengesellschaften vor (z.B. Thalictrum alpinum, Cerastium eriophorum, Pedicularis oederi). Die Synthese der gewonnenen Daten zeigt, daß die Verbreitung der untersuchten Arten stark von der Tatsache bestimmt ist, daß die östlichen Teile der Niederen Tauern (Seckauer Alpen und Triebener Tauern und die östlichen Teile der Wölzer Tauern) während der letzten Eiszeit (Würm) außerhalb des geschlossenen Eisschildes lagen. Zumindest einige der Arten dürften deshalb in diesem Refugialgebiet oder in dessen Nähe die letzte Eiszeit überdauert haben. Auf diese Weise läßt sich die Beschränkung auf dasselbe Gebiet ökologisch derartig unterschiedlicher Arten wie Cochlearia excelsa (an nordexponierten, nassen Felsen) und Anthemis carpatica (südexponierte, trockene Rasen) auf das selbe Gebiet erklären. Die Feinverbreitung innerhalb dieses Gebietes läßt sich zum Großteil durch rezent-ökologische Faktoren erklären, so z.B. das Fehlen basiphiler Sippen in den südwestlichen Rottenmanner Tauern.