Die Erhaltung der biologischen Vielfalt bzw. Schutz, Pflege und Entwicklung von freilebenden, wild oder verwildernd vorkommenden Tieren und Pflanzen und deren Lebensräumen in engeren Wohn- und Lebensumfeld des Menschen sind zentrale Anliegen des Naturschutzes in Dorf und Stadt sowie der Dorf- und Stadtökologie (Sukopp 1973, Schulte et al. 1997, Bundesamt für Naturschutz 1997, Otte 1998, Sukopp & Wittig 1998). Nach wie vor bestehen jedoch noch deutliche Wissenslücken hinsichtlich der ökologischen Ansprüche und Verbreitung von Pflanzenarten im Siedlungsraum und der ökologischen Funktion der verschiedenen Lebensräume. Quantität und Qualität derartiger Grundlagen sind von entscheidender Bedeutung für naturschutzfachliche Bewertungen und Planungen sowie für die Stadtentwicklung oder Dorferneuerung. In der vorliegenden Untersuchung werden die Ergebnisse und Auswertungen einer wissenschaftlichen Langzeitanalyse des Bundesamtes für Naturschutz zur Interpretation städtischer und dörflicher Pflanzenwelt vorgelegt. In einem Zeitraum von über zehn Jahren wurde im Beispielraum Bonn-Bad Godesberg (16 km¬) die Gefäßpflanzenflora im Zuge einer floristischen Rasterkartierung systematisch erfasst und naturschutzfachlich interpretiert. Im Untersuchungsergebnis Bonn-Bad Godesberg wurden rund 800 wildlebende bzw. verwilderte Gefäßpflanzen-Arten/Sippen gefunden, für die jeweils eine Raster-Punktverbreitungskarte mit der Rasterquadratgröße von 166,6 m x 166,6 m erarbeitet wurde. Eine im Hinblick auf Naturschutz und Landschaftspflege erstellte Liste lokal gefährdeter/seltener Gefäßpflanzen des Untersuchungsgebietes enthält 254 Arten. Für die Bemessung der Wirkfaktoren für die Entstehung der Seltenheit wurde eine 18 Spalten umfassende Diagnose-Tabelle erstellt (Kapitel 4.2). Es stellte sich heraus, dass durch die Bebauung/Stadtentwicklung immerhin 46 der 254 seltenen Arten potentiell bedroht sind; 6 Arten sind erloschen und 24 weitere Arten sind möglicherweise erloschen. 12 Arten hingegen sind offenbar in ihrer Existenz an die Stadtlandschaft gebunden. Eine Bewertung der 254 seltenen Arten nach den Kriterien "urbanophil", "urbanorphob" und "orbanoneutral" (vgl. Wittig et al. 1985) erbrachte 58 stadliebende, 167 stadtmeidende und 6 stadneutrale Arten. Eine Analyse von 789 gefundenen Arten im Untersuchungsgebiet Bonn-Bad Godesberg (ohne die nachträglich ergänzten Neufunde) erbrachte 290 urbanophile, 281 urbanophobe, 137 urbanoneutrale Arten und 81 (noch) nicht einstufbare Arten. Die Verbreitungsbilder der Pflanzenarten des Untersuchungsgebietes Bonn-Bad Godesberg lassen sich in 20 Typen gliedern, z.B. Flussufer-Typus, Bachufer-Typus, Stadt-Typus, Ubiquität-Typus. Die im zweiten Teil der Arbeit erscheinenden Verbreitungskarten sind entsprechend den wissenschaftlichen Namen alphabetisch angeordnet und werden von Interpretationstexten mit einer Reihe von naturschutzbezogenen Handlungsempfehlungen begleitet. Insgesamt bieten die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung einen detaillierten, systematischen Überblick zur Gefäßfpflanzenflora in Dorf und Stadt (nicht kultivierte Farn- und Samenpflanzen des Beispielraumes Bonn-Bad Godesberg). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse betreffen u.a. die Verbreitung und teilweise auch die Ausbreitung von Arten, ihre Indikatorfunktion für Nutzung, Klima und andere Ökofaktoren, aber auch naturschutzrelevante Daten zu seltenen und (lokal) gefährdeten Arten sowie deren Vorkommen in biologisch reichhaltigen Lebensräumen bzw. "Quellenstrukturen" im Sinne von Müller-Motzfeldt (1996, 1999).