Kapitel I: Einfuehrung. Die Untersuchungen wurden an der freifliegenden Gaensegeiergruppe des Salzburger Tierparks Hellbrunn und an den uebersommernden Gaensegeiern in den Hohen Tauern durchgefuehrt. Von zentraler Bedeutung waren das Sozialverhalten und die Habitatansprueche. Ergaenzende ethologische Studien erfolgten in Spanien. Neben Sichtbeobachtungen wurde die Radiotelemetrie eingesetzt. Um die Raumnutzung der Tiere auch in alpinem Gelaende lueckenloser verfolgen und dokumentieren zu koennen, wurden automatisch arbeitende Peilanlagen mit 10 Kanaelen und einem Peilintervall von 2 Minuten entwickelt. Die maximale Reichweite des Systems betraegt mindestens 30 Kilometer. Kapitel II: Oeko-ethologische Untersuchungen am Gaensegeier. In den Koerperhaltungen, den Bewegungsweisen und dem Komfortverhalten des Gaensegeiers gibt es keine grundlegenden Unterschiede zu vergleichbaren Vogelarten. Spielverhalten tritt bei Individuen unterschiedlichen Alters auf. Haeufige Sozialspiele sind Formationsfluege. Auch verschiedene Objektspiele wurden beobachtet. An Konfliktverhalten konnten nur Uebersprungsbewegung beobachtet werden. Vom Gaensegeier ausgehende interspezifische Auseinandersetzungen muessen als Ausnahmefaelle angesehen werden. Wurden Gaensegeier angegriffen, gaben sie in aller Regel den Angriffen nach. Gaensegeier zeigen ein hohes Sicherheitsbeduerfnis und ausgepraegte Gewohnheiten bei der Nahrungsaufnahme. Trotz ausreichender Fuetterung am Zoo nehmen die Mitglieder der freifliegenden Zoogruppe auch Kadaver in freier Wildbahn an. Kopulationen und Kopulationsversuche wurden sowohl vom Brutpaar, von Paaren ohne Bruterfolg, als auch von Individuen, zwischen denen keine Paarbindungen bestehen, gezeigt. Ein Partner des Brutpaares kopulierte nicht nur mit seinem Brutpartner, sondern auch ausserhalb der Paarbindung. Einzelne adulte Gaensegeier der Zoogruppe zeigen ein sexuell ambivalentes Verhalten. Es gibt Hinweise darauf, dass die Paarbildung des Gaensegeiers dem "Labyrinthfischtypus" zugeordnet werden muss. Ein Paar erbruetet, bisher in zweijaehrigem Turnus, jeweils einen Jungvogel. Die Chronologie des Brutgeschaefts verlaeuft in dem fuer den Gaensegeier allgemein angegebenen Zeitrahmen. Gaensegeier zeigen nicht nur zur Balzzeit ausgepraegte soziale Gefiederpflege; eine Paarbindung ist hierfuer keine notwendige Voraussetzung. Das Verhaltensmuster bei Aggressionen am Kadaver konnte folgendermassen klassifiziert werden: Drohverhalten: gestraeubtes Rueckengefieder, Schnabelannaeherung, Herrscherpose, Fluegelspreizen, Fussdrohen, Parademarsch, Siegerpose, Verfolgung, aggressiver Landeanflug. Angriffsverhalten: direkte Annaeherung, Angriff mit gespreizten Fluegeln, Schnabelhacken, Fusstritt, Aufspringen, Kampf. Vermeidungsverhalten: Ausweichen, Ducken, Demutshaltung. Stimmungsuebertragungen treten bei Gaensegeiern haeufig auf. Bei der freifliegende Gaensegeier-Gruppe des Salzburger Tierparks Hellbrunn wird waehrend des Sommerhalbjahres immer wieder das Auftreten wilder Artgenossen beobachtet. Sie stammen vermutlich aus den Hohen Tauern und bleiben einzelne Tage bis zu mehreren Jahren bei der Gruppe. Die meisten Freilassungen von Jungtieren verliefen erfolgreich, d.h. die Tiere konnten sich in die bestehende Gruppe integrieren. In zwei Faellen konnten sich die Tiere nicht in die Zoogruppe eingliedern. Einer wurde nach einem 4-woechigen Flug in suedlicher Richtung in 150km Entfernung wiedereingefangen, der andere blieb bis zu seinem Wiederfang im Grossraum Salzburg. Beide Tiere integrierten sich beim zweiten Freilassungsversuch. Es ergaben sich Hinweise darauf, dass die Integrationswahrscheinlichkeit in die Gruppe vom Raumnutzungsverhalten der ersten beiden Wochen nach der Freilassung abhaengt. Eine Freilassung in den Hohen Tauern verlief erfolgreich. Der Vogel frass nach zwei Wochen mit den dort uebersommernden wilden Artgenossen am Aas und uebernachtete mit ihnen in der Schlafwand. Der freigelassene Vogel verliess das Gebiet ...