- StandardsignaturI-14342
- TitelKatastrophen als Herausforderung für Verwaltung und Politik : Kontinuitäten und Diskontinuitäten
- Verfasser
- Erscheinungsjahr1997
- Seiten308 S.
- Illustrationenzahlr. Lit. Ang.
- MaterialBandaufführung
- ISBN3-7281-2321-8
- Datensatznummer63990
- Quelle
- AbstractAusgehend von der Hypothese, dass Katastrophen organisatorische Kreativität erzeugen können und damit zu institutionellen Veränderungen, zum Beispiel in der Verwaltung, führen, untersucht das Forschungsprojekt die folgenden Fragestellungen: -Welches sind die wichtigsten Aktoren des Katastrophenmanagements? Insbesondere interessiert das Verhalten der Verwaltung im Katastrophenfall. - Wie handeln sie? Welches sind die Handlungsspielräume von Kantonen und Gemeinden? Wie werden Strukturen und Funktionen von ihren Krisenstäben verändert? - Erzeugen Katastrophen Innovationen in der Verwaltung? Zur Beantwortung dieser Fragen sind fünf Fallstudien durchgeführt worden, in vier Fällen handelt sich um Natur-, in einem um eine technische Katastrophe: - die Überschwemmungen im Kanton Uri von 1987, - die Überschwemmung der Stadt Brig im Jahr 1993, - die Hochwasser 1978 und der Sturm Vivian 1990 in der Region Surselva, - der Bergsturz von Randa 1991 und - die industriell-technische Katastrophe von Schweizerhalle 1986. Die Fallstudien basieren auf Dokumentenanalysen und auf über einhundert Interviews, welche eine Rekonstruktion der Ereignisse erlauben. Die Bewältigung von Katastrophen durchläuft mehrere Phasen. Auf eine Akutphase (bis zu 12 Stunden nach Ereignisbeginn) folgen die Phasen der Räumung und des Wiederaufbaus. In der Untersuchung interessierte vor allem die erste Phase. Nach Ausbruch der Katastrophe tritt eine grosse Unsicherheit auf, da niemand über genaue Informationen verfügt. Als Aktoren handeln ab diesem Moment (Stunde null bis sechs) folgende Organisationen: - die Kantonspolizei, welche oft Frühwarnfunktionen wahrnimmt und heikle Punkte observiert (z.B. Flüsse), die Feuerwehr und den kantonalen Krisenstab alarmiert; - die Feuerwehr; ihr Einsatz gilt der Rettung, dem Schutz von Mensch und Umwelt sowie der Eindämmerung der Naturgewalten; - militärische Einheiten; diese werden teilweise spontan zu Hilfe gerufen (Truppen halten sich im Gebiet auf) oder formell angefordert; sie wirken dann oft am Wiederaufbau mit "man power" und Technik mit. Der Truppenkommandant wird in die zivile Führung integriert, der er sich unterstellt. Werden lokale und/oder kantonale Krisenstäbe alarmiert, so ist zu beobachten, dass: - ihre Konstitution mehrere Stunden dauert, - ihre Arbeitsweise zunächst chaotisch ist, - sie über längere Zeit von den Informationen der Polizei und der Feuerwehr abhängen. Die Fallstudien zeigen, dass auf Gemeindeebene die Führungsstrukturen wenig ausgeprägt sind beziehungsweise von der Grösse der Gemeinde abhängen (je grösser die Gemeinde desto strukturierter der Stab). Auf Kantonsebene sind die Führungsstrukturen vorhanden, meist treten zuerst Polizeiführungsstäbe in Aktion, die die Mitglieder der Verwaltung informieren oder anfordern und auch den kantonalen Führungsstab alarmieren. Darin sitzen vorwiegend Chefbeamte. Einzig in den Fällen von Uri und Brig leisten die kantonalen Krisenstäbe Wiederaufbauhilfe. Unter spezifischen Bedingungen (kleine Gemiende von Katastrophe betroffen, starke regionale Kultur und Eigenständigkeit) wird die Katastrophe und der Wiederaufbau von einem Netzwerk (Individualaktoren) gesteuert. Diese nicht-hierarchische und stark informelle Form der Steuerung ist zur Mobilisierung von Ressourcen und technischen Problemlösung gut geeignet, die Zuordnung von Verantwortung ist jedoch teilweise diffus. Zu den ersten und wichtigsten Aktivitäten dieser Krisenstäbe gehören das Sammeln und Strukturieren von Informationen und die Priorisierung der Entscheidungen. Erst dann ist ein Krisenstab handlungsfähig. Unsere Analyse kommt zum Schluss, dass einfach strukturierte und klein gehaltene Stäbe schneller handlungsfähig sind. Die Verwaltung stellt die Ressourcen zur Verfügung, auf die die Stäbe zurückgreifen. Insofern der Krisenstab von einer Person mit sehr hohem politischen Status und einem gewissen Charisma geleitet wird, ist er auch durchsetzungsfähiger und flexibler. Er adaptiert die Struktur in Funktion der Aufgaben und der vorliegenden Situation. Kantonale Stäbe wenden gegenüber den Gemeinden das Subsidiaritätsprinzip an. eine entscheidende Handlungsvoraussetzung ist die Kommunikation. Im Falle der Polizei funktioniert diese sehr gut, weil die Polizei über redundante Informationsnetze verfügt, weil sie 24 Stunden im Einsatz und flächendeckend präsent ist (hohe Mobilität). Auch die Feuerwehr kommuniziert professionell; das Zusammenspiel mehrerer Feuerwehren bietet keine Probleme. Bedeutend schwieriger ist die Kommunikation zwischen Aktoren: Telekommunikationssysteme brechen zusammen (durch natürliche Einwirkung, Überlastung). Weiter hat jede Organisation ihre eigene "Sprache", Logik der Kommunikation und Strategie, dadurch wird die Kommunikation zwischen Organisation schwierig: Sowohl zwischen Krisenstäben als auch im internationalen Kontext (Schweizerhalle). In beiden Fällen gibt es je unterschiedliche Strategien und es besteht keine abschliessende Hierarchie. Die Kommunikation zwischen hilfeleistenden Organisationen und den Medien ist möglich, lokale Radiostationen erweisen sich als nützlich. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Logik der Medien (der Erste ist der Beste) nicht unbedingt derjenigen von Krisenstäben entspricht. Schwierig - in gewissen Situationen sogar unmöglich - ist die Kommunikation mit der Bevölkerung: Hier handelt es sich um eine einseitige und über die Medien vermittelte Information. Der Krisenstab ist von jeglicher Rückmeldung von der Bevölkerung abgeschnitten. Wie sorgfältig er auch die Informationen zuhanden der Bevölkerung formuliert, er riskiert dabei, sich unter Handlungsdruck zu setzen. Die Alarmierung der Bevölkerung löst - im Gegensatz zur beabsichtigten klaren Verhaltensanweisung - ein sehr grosses Mass an Unsicherheit aus. Unklar ist, inwieweit die Bevölkerung Radiodurchsagen empfangen kann, unsicher sind schliesslich auch ihre Interpretationen der Durchsagen (kombiniert mit ihrer Wahrnehmung der Ereignisse) und ihre Reaktionsweisen. Was ist die Rolle der Politik im Katastrophenfall? Diese ist zunächst nicht als wichtig einzustufen. Mit der Einsetzung des Krisenstabes (Selbskonstitution) wird sie ausser Kraft gesetzt, so wollen es die kantonalen Gesetze. In der Regel sitzt ein Mitglied der kantonalen Regierung im Krisenstab (oder ein Delegierter im Falle eines Netzwerkes), zur formellen Legitimation der Entscheidungen. die Politik hält damit der Notstandsregierung den Rücken frei. Umgekehrt fallen schwerwiegende oder falsche Entscheide auf den Krisenstab zurück, er trägt die Verantwortung. Die Politik (Regierung) sorgt schliesslich für die Absetzung der Notstandsregierung zur Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse. Katastrophen führen in der Schweiz, entgegen unserer Ausgangshypothese, nicht zu Innovationen in der Verwaltung. Die Technikkatastrophe von Schweizerhalle hat allerdings auf kantonaler und Bundesebene einen Innnovationsschub in der Umwelt- und Risikopolitik ausgelöst. Dieser ist jedoch auf die Legitimationskrise der staatlichen Institutionen zurückzuführen, welche sich in der Öffentlichkeit schweren Vorwürfen wegen Unterlassungen in der Katastrophenprävertion und der Bewältigung der Folgekatastrophe sowie der Schadensbewältigung ausgesetzt sahen. Zu den dadurch erzeugten Innovationen gehört auch die Institutionalisierung einer Risikobehörde, welche der "Chemieindustrie" endlich straffe Zügel anlege - so die Forschung der Öffentlichkeit.
- Schlagwörter
Exemplarnummer | Signatur | Leihkategorie | Filiale | Leihstatus |
---|---|---|---|---|
10007831 | I-14342 | Monographie | Institut für Naturgefahren und Waldgrenzregionen - Innsbruck | Verfügbar |
Hierarchie-Browser