In dieser Arbeit wurde das Problem der Quantifizierung der Uferfiltration bei hohe Flurabständen (Seihwasserbildung) am Beispiel des Modau-Sandbach-Systems im Hessischen Ried behandelt. Tests zeigten, daß die bekannten vom Grundwasserraum ausgehenden Verfahren zur Bestimmung der Uferfiltration sich nicht auf das Arbeitsgebiet übertragen lassen, da zum einen die Meßstellendichte dort nicht ausreichend ist, zum anderen die herrschenden hohen Flurabstände die benötigten instationären Bedingungen abpuffern. So wurden unter den Bedingungen des low cost - low budget eigene Meßverfahren entwickelt, mit ihnen lassen sich die den Infiltrationsflüssen zugrundeliegenden Parameter unmittelbar im Gewässerbett messen. Zunächst wurde die Lithologie der Gerinnesohle und Deichbereiche durch z.T. selbstentickelte Bohrverfahren aufgenommen; dabei zeigte sich, daß sich unter den dauerhaft influenten Verhältnissen und wegen der hohen Schwebstoffkonzentration eine Selbstdichtungsschicht von erheblicher Mächitigkeit in der Sohle und in den unteren Uferbereichen ausgebildet hatte. Wühltierbauten in den Deichen reagieren bei Benetzung unter Hochwasserbedingungen als Makroporen und führen zu prefential flow - Erscheinungen, die die Infiltrationsflüsse maßgeblich beeinflussen können. Die Strömungsphänomene wurden in ihrer Abhängigkeit von den Wassertiefen unter den geschilderten Bedingungen an einem analogen sandbox-Modell simuliert. Dabei zeigte sich, daß sich die Infiltrationserscheinungen aus zwei unterschiedlichen, von der Wassertiefe im Gerinne bestimmten Komponenten, zusammensetzt: der gesättigten Infiltration durch die kolmatierten Bereiche und den komplexen Infiltrationsabläufen über die unkolmatierten Deichbereiche mit Versickerung unter gesättigten und ungesättigten Bedingungen sowie entlang der Vorzugssickerstrecken in den Makroporen. Die gesättigte Infiltration durch die kolmatierten Bereiche wurde anhand von Daten errechnet, die in Feldmessungen ermittelt wurden; die Infiltration durch die unkolmatierten Bereiche wurde hingegen durch ein digitales Modell quantifiziert. Die Berechnung der gesättigten Infiltration durch die kolmatierten Bereiche erfolgte unter Verwendung des DARCYschen Gesetzes. Dazu wurde der Potentialabbau mit Flußbettpiezometern unmittelbar in der Kolmationsschicht erfaßt, die DARCYschen Durchlässigkeitsbeiwerte wurden ex-site im Labor in Versuchen mit fallender Druckhöhe bestimmt. Die hydraulische Pufferung innerhalb der Kolmationsschicht konnte durch den Einbau von Datenaufzeichnungsgeräten - zur kontinuierlichen Erfassung des Potentials - in die Flußbettpiezometer analysiert werden. Die rezente Kolmation wurde durch speziell entwickelte Kolmatoskope nachgewiesen, beobachtet und als relative Werte auf die jeweiligen Wassertiefen bezogen. Das zur Quantifizierung der Infiltration durch die unkolmatierten Bereiche der Deiche verwendete digitale Modell, das HYDRUS-2D-System, ist für eine zweidimensionsl vertikal-ebene Simulation unter Verwendung finiter Elemente konzipiert. Das entwickelte konzeptionelle Modell wurde mit unterschiedlichen Wassertiefen innerhalb der maximalen beobachteten Spannbreite belastet, daraus wurden die stationären Infiltrationsflüsse ermittelt; Infiltrationen aus instationären Durchflüssen konnten anhand eigener Tests und des aus der Literatur bekannten Erkenntnisstandes durch stationäre Infiltrationsflüsse hinreichend genau wiedergegeben werden. Nach Einteilung des Flußsystems in Homogenbereiche, RETs, einheitlicher hydrogeologischer Paramter wurden für jedes dieser RETs beide Infiltrationskomponenten berechnet, wobei die maßgeblichen Wassertiefen aus den vom Pegel Darmstadt-Eberstadt erfaßten Durchflußwerten durch Fortschreibung für die einzelnen Homogenbereiche gewonnen wurden. Die so gewonnenen Daten zeigen, daß die Infiltrationsflüsse von der sie maßgeblich bestimmenden Wassertiefe überproportional abhängen. Modellrechnungen für das Abflußjahr 1994 weisen für diesen Zeitraum einen Infiltrationsfluß von ca. 1,8 Mio mß/a aus, entsprechend ca. 7,6% des gesamten Durchflusses dieses Zeitraumes. Wie die Infiltrationsflüsse hängen auch die Fließzeiten des Uferfiltrats bis zum Erreichen der Grundwasseroberfläche nicht-linear von der Wassertiefe im Gerinne ab, sie steigen reziprok überproportional zur Wassertiefe an. Desgleichen werden die Schadstoffkonzentrationen in den Fließgewässern bei großen Durchflußwerten wegen der Kläranlagenüberläufe sprunghaft ansteigen. Für den Schadstoffeintrag in den Grundwasserraum kann daher angenommen werden, daß er hochgradig nichtlinear von der Wassertiefe abhängt und stark überproportional zu ihr anwächst. Weiterer Forschungsbedarf liegt in der Betrachtung und Modellierung kleinräumigerer Gewässerabschnitte mit einer hohe räumlichen Auflösung der hydrauischen Parameter sowie der Kalibrierung der simulierten Ergebnisse anhand einer Vielzahl gemessener Saugspannungswerte. Aufbauend auf der durchgeführten Strömungssimulation sollte der gekoppelte Schadstofftransport mit den verbundenen Sorptions- und Abbauprozessen in der gesättigen und ungesättigten Zone simuliert werden. Ein Modellierungssystem von VANDERKWAAK (1999), das (noch) nicht als kommerzielle Software verfügbar ist, gestattet die instationäre Behandlung aller Randbedingungen. In Zusammenarbeit mit J. VANDERKWAAK von der Universität Berkley werden die konzeptionellen Modelle unter instationären Verhältnissen mit seinem System erneut behandelt. Die Ergebnisse liegen jedoch zur Zeit noch nicht vor, sie werden für die vorzunehmende Quantifizierung der Infiltration auch nicht benötigt, sondern dienen ausschließlich der detaillierten Darstellung der mit wechselnden Wassertiefen verbundenen Austauschvorgänge im Uferbereich der Fließgewässer.