Im mittelfränkischen Ulsenheim (Landkreis Neustadt an der Aisch) fand am 15./16.05.1998 eine Fachtagung zur Wildbirne, dem Baum des Jahres 1998, statt. Sie wurde von den Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Bayern, und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) gemeinsam veranstaltet. Die Wildbirne (Pyrus pyraster) hat in Bayern einen Verbreitungsschwerpunkt auf der Fränkischen Platte und findet sich dort besonders häufig in den ehemals oder noch bewirtschafteten Mittel- und Niederwäldern. Nicht zuletzt deswegen wurde dieser Tagungsort ausgewählt. Er liegt im Geschäftsbereich des "wildobstreichen" Bayerischen Forstamtes Uffenheim. Zwei Tage lange beschäftigten sich Forstleute, Gärtner, Biologen und Naturfreunde bei Vorträgen und Exkursionen mit diesem seltenen Wildobst. Der vorliegende LWF-Bericht "Beiträge zur Wildbirne" fasst die Referate zusammen. Das Vorwort zu diesem Bericht formulierte Olaf Schmidt, Leiter des u.a. für Naturschutz im Wald zuständigen Referats im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Lothar Gössinger stellt neben dem Baum des Jahres die anderen Naturobjekte des jahres 1999 vor. In seinem Beitrag beleuchtet Dr. Gregor Aas die Wildbirne aus systematisch-botanischer Sicht. Er stellt fest, dass die zweifelsfreie Unterscheidung von Wild- und Kulturbirne an Hand der morphologischen Merkmale schwierig und mit Unsicherheiten behaftet ist. Ursache dafür ist die langwährende und intensive Kulturtätigkeit des Menschen. Aus seiner Sicht kommt die Wildbirne in Bayern deswegen nicht mehr als eine eigenständige, klar abgrenzbare Sippe vor. Einen geobotanischen Überblick der Stellung von Wildbirne und Wildapfel gibt Dr. Winfried Türk aus Bayreuth. Die stark spezialisierte, in ganz Europa heimische Wildbirne hat einen Verbreitungsschwerpunkt in den wärme- und basenliebenden Gebüschgesellschaften sowie in den wärmeliebenden Eichenwaldgesellschaften. Der "klassische" Stockausschlagbetrieb des Nieder- und Mittelwaldes in diesen Eichenwäldern sicherte deren Überleben. Weil aber die historischen Waldnutzungsformen in Mitteleuropa zunehmend aufgegeben werden, gehen die Tier- und Pflanzenarten teilweise massiv zurück. Der Erhalt des Gesamtlebensraumes Eichenwald würde langfristig auch zum Erhalt der Wildbirne im Wald beitragen. Rudolf Kühn berichtet über seine umfangreichen Erfahrungen zum Erhalt von Pyrus pyraster, die er als Holz- und nicht als Wildbirne bezeichnet. Als Praktiker hat er sich in langjähriger Feldarbeit auf der Schwäbischen Alb mit deren morphologischen Besonderheiten beschäftigt. Nach seinen Erfahrungen sind - im Gegensatz zu vielen Wissenschaftlern - u.a. wesentlich strengere morphologische Maßstäbe anzusetzen, was die Unterscheidung von Wild- und Kulturobst betrifft. Auch die Programme der Landesforstverwaltungen werden deshalb von ihm kritisch gewürdigt, da sie nach seiner Meinung überwiegend auf Pflanzen zurückgreifen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen. Das Weinbauklima, viele ehemalige oder noch bewirtschaftete Mittelwälder sowie die Standortsvielfalt bedingen eine große Baumartenvielfalt im Bereich des Bayerischen Forstamtes Uffenheim, zu der auch das Wildobst gehört. Forstamtsleiter Dr. Ludwig Albrecht, stellt die Erfahrungen zur Verfügung, Pflege und Durchforstung von Wildbirne, Wildapfel und Speierling im Staatswald dar. Die Wildbirne ist aber nicht nur eine seltene und deshalb förderungswürdige Baumart: Auf speziellen Standorten wird sie dort auch als eine "echte" Wirtschaftsbaumart behandelt. Wilhelm Schmalen von der Bayerischen Landesanstalt für forstliche Saat- und Plfanzenzucht in Teisendorf berichtet über die Beerntung und Nachzucht der Wildbirne. Aus 100 kg Wildbirnen lassen sich ca. 0,8 kg reine Samen gewinnen, wobei die Ausbeute zwischen 0,3 und 1,5 kg schwanken kann. Ein Kilogramm enthält zwischen 30.000 und 60.000 Saatgutkörner. Da nur selten mehrere Wildbirnen im Wald nebeneinander stehen, ist die Selbstung sehr häufig: Das Keimprozent beträgt deshalb nur zwishcen 50 und 60%. Dr. Dietger Grosser vom Institut für Holzforschung der Universität München stellt das Holz der Birne vor. Echtes Wildbirnenholz ist ausgesprochen selten. Unter dem Handelsnamen "Schweizer Birnbaum" werden deshalb nicht nur das Holz der Wildbirne, sondern auch von Most(Kultur-)birne, Elsbeere und Speierling gehandelt, deren Holz in Farbe, Struktur oder Eigenschaften einander ähnlich ist. Birnbaum wird zumeist als Furnier im (exklusiven) Innenausbau verweendet. Er gehört siet jeher neben Kirsche und Nuss zu den gefragtesten Holzarten in der Möbeltischlerei. Das Holz der Birne ist schwerer als das von Buche und Eiche, hart und zugleich zäh. Gedämpft gewinnt es einen dekorativen Rot-Ton und neigt nicht mehr zum Reißen oder Verwerfen. Seine attraktive Färbung bei guter Bearbeitbarkeit verleiht ihm bei Drechsler und Holzschnitzern eine hohe Wertschätzung. Auch für den Bau von Musikinstrumenten (Flöte, Orgelpfeifen) ist es sehr gefragt. Wegen seiner hohen Formbeständigkeit werden aus dem Holz auch Zeichen- oder Messgeräte (Lineale) angefertigt.