Von einigen Autoren wird gelegentlich auch heute noch die Vermutung geaeussert, dass Flechten als Bioindikatoren zum Nachweis der Luftguete wenig geeignet seien, weil in erster Linie andere (z.B. Schoeller 1993). Die vorliegende Arbeit kann eine Reihe von diesbezueglichen Vorbehalten ausraeumen helfen: - Zunaechst einmal ist festzustellen, dass die Korrelationsberechnungen mit allen in Frage kommenden wichtigen Faktoren, wie Klima, Meereshoehe, Geologie, keine deutlich erkennbaren Beziehungen zwischen den Flechtenwerten und diesen Faktoren aufzeigen konnten. - Es ist sicherlich eine richtige Annahme, dass unterschiedliche Mikroklima- und Substrat-Bedingungen das Flechtenwachstum beeinflussen. Diese Faktoren sind aber durch Beschraenkung auf vergleichbares Substrat und sorgfaeltige Standortwahl (nur freistehende Baeume mit guter Windzugaenglichkeit) zu standardisieren; bei der hier vorgestellten Kartierung des Landes Hessen wurden die entsprechenden Anforderungen weitgehend erfuellt. - Zwar konnten im vorliegenden Fall die Korrelationsberechnungen zwischen Flechten und Immissionskonzentrationen auch keine eindeutigen Beziehungen nachweisen. Festzustellen bleibt aber, dass die se Korrelationen enger sind als zu allen uebrigen beurteilten Umweltfaktoren. Eine noch staerker ausgepraegte Korrelation war aus folgenden Gruenden nicht zu erwarten: Zum einen konnte von den ca. 3500 LGWs lediglich ca. 1% mit technisch erfassten Immissionswerten verglichen werden (die Zahl hessischer Luftmesstationen liegt bei 35). Ein weiteres Hindernis ist in der Tatsache begruendet, dass die ueberwiegende Zahl der Messtationen sich in Stadtnaehe befindet, wo es kaum Flechten gibt. Weiterhin ist festzustellen, dass es sich bei den technischen Messwerten um Jahresmittelwerte handelt. Da die Flechten vor allem im Winterhalbjahr stoffwechselaktiv sind, waere eine Korrelationsberechnung mit Wintermittelwerten sinnvoller. Schliesslich muss noch angemerkt werden, dass die Korrelation mit den wenigen Komponenten, die die technische Messung erfasst, vorgenommen werden musste. Die Frage, ob andere - nicht erfasste - Luftschadstoffe fuer die unterschiedlichen Luftguetewerte verantwortlich sind, kann nicht beantwortet werden (ebensowenig die Frage nach syn- oder antagonistischen Einfluessen innerhalb des Immissionskomplexes). - Sollten mikro- oder makroklimatische Ungunstfaktoren (z.B. Trockenstress) die vorhandene Flechtenvegetation vernichten, so muesste man erwarten koennen, dass andere Flechten, die mit diesem Problem besser zurechtkommen (z.B. Xerophyten) die freien oekologischen Nischen einnehmen, wie das bei den Horheren Pflanzen zu beobachten ist. Ein derartiger Austausch konnte bei den Flechten nicht festgestellt werden, obwohl die meisten wesentlich effektivere Verbreitungsmechanismen besitzen als Hoehere Pflanzen. Das Phaenomen der Einwanderung pannonischer (waerme- und trockenheitsertragender) Elemente bei Hoeheren Pflanzen in das anthropogen verursachte "Steppenklima" von Grosstaedten laesst sich zwanglos damit erklaeren, dass diese Pflanzen immissionsresistenter sind als die (nicht einwandernden) xerophytischen Flechten. - Weiterhin laesst sich auch noch feststellen, dass die Verarmung der Flechtenvegetation in den Ballungsgebieten weit ueber den Einflussbereich der anthropogenen Mikroklimaveraenderung hinausgeht: Dass es z.B. am Hohen Meissner im Norden Hessens fast keine Flechten gibt, ist kaum mit dem Einfluss des Stadtklimas, wohl aber mit den aus dem Osten stammenden Immissionen zu erklaeren. - Auch die bereits beschriebene plus minus kontinuierliche Zu- bzw. Abnahme der mittleren Haeufigkeitswerte der Flechten liesse sich schwerlich mit den sprunghaften Veraenderungen von Mikroklima oder Geologie erklaeren; logisch erscheint dagegen die Beziehung zur lufthygienischen Situation, die ebenfalls einem eher kontinuierlichen Wechsel unterliegt. - Schliesslich sei auch noch auf den erheblichen Rueckgang der Flechten im Verlauf des letzte...