Die Bewohnbarkeit eines Hochgebirgstales und die Lebensfähigkeit seiner Einwohner ist in vielen Fällen besonders von einem bestehenden breiten und starken Waldgürtel mit einer gesunden Waldgrenze abhängig. Ohne Zweifel muß das Bergbauerntum mit seinem reichen ideellen Gedankengut als unersetzliche Keimzelle des Volkes erhalten bleiben. Es sollte daher eine vornehme Pflicht sein, den Fortbestand des bergbäuerlichen Lebensraumes zu sichern, wobei die Wiederherstellung des biologischen Gleichgewichtes neben der Schaffung von Arbeitserleichterungen und zusätzlichen Einnahmsquellen oberstes Gebot sei. Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, daß für den heutigen Zustand der Gebirgswälder auch die Besiedelung jener Gebiete und die jahrhundertelange, sicher oft nicht sehr landschaftsgerechte Bewirtschaftung und Nutzung verantwortlich gemacht werden müssen. In den Anfängen der Besiedelung lag unsere Naturlandschaft in Wald eingebettet. Holz besaß weder ideellen, noch materiellen Wert. Daher war das Roden von Wald zur Gewinnung von Kulturflächen eine durchaus natürliche, ja verdienstvolle Tätigkeit. So wurde die Waldverdrängung eingeleitet und fortgesetzt durch: 1. den fortwährenden Bau- und Brennholzbedarf der Siedlungen, 2. den sofortigen Eintrieb des Viehs in die Schlagflächen, 3. das Brandrodungsverfahren, das bis in das 15. und 16. Jahrhundert betrieben wurde. Durch die deutsche Besiedelung erfolgte schon seit Beginn des 6. Jahrhunderts ein Höherschieben der Siedlungsgrenzen. Die von der romanischen Zeit her bekannte Alpwirtschaft wurde vervollkommnet und damit der Grundstein zur Einengung des Waldgürtels sowohl von der Waldgrenze her, als auch vom Talgrund aus, gelegt. Im 12. und 13, Jahrhundert kam es dann in Tirol und damit auch im Wipptal zur Gründung von dauerbesiedelten, sehr hoch gelegenen Höfen, den sogenannten "Schwaighöfen", deren Existenz dem Wald umso größeren Schaden zufügte, je mehr die Viehzucht in den Vordergrund rückte. Die Erschließung von Bodenschätzen wie Salz, Eisen, Kupfer, Blei, Silber und Gold, vor allem aber deren Verarbeitung begannen in ganz Österreich die Wälder zu belasten. In Tirol nahm diese Entwicklung schon Mitte des 13. Jahrhunderts ihren Anfang. In der Folge waren die Forstämter den Salinen und Bergwerken angegliedert und vertraten größtenteils deren Interessen. Zwischen 1460 und 1839 wurden eine Reihe von "Holz- und Waldordnungen" erlassen, die aber waldbauliche Grundsätze weitestgehend außer Acht ließen. Viele der bis in das 18. Jahrhundert durchgeführten Großkahlschläge, die sich oft über ganze Talseiten erstreckten, wirkten sich sehr negativ auf manche Talschaften aus. Die uns urkundlich erhaltenen Ergebnisse der verschiedenen "Waldbereitungen" (mehrere zwischen 1501 und 1780) zur Schätzung der Holzvorräte und Kontrolle der Holzeinschläge, gestatten einen Vergleich mit heutigen Verhältnissen. 1576 tauchte in Tirol erstmals der Gedanke auf, daß dort wo Lawinengefahr besteht, die Wälder in ihrer Ausdehnung zu belassen und zu pflegen seien. 1765 wurde unter Maria Theresia eine Denkschrift verfaßt, die sich mit den Nachteilen der Waldweide befaßt. Die beinahe in jedem Jahrhundert mehrmals auftretenden Lawinenkatastrophen, vor allem aber die Murbrüche im Jahre 1807 lenkten die Aufmerksamkeit auf sich und wiesen auf die Notwendigkeit einer geregelten Wirtschaft in den Gebirgswäldern hin. Mit der 1847 durchgeführten " Waldpurifikation" gab der Staat die Wälder, an denen er nur das mittelbare Obereigentum besaß, an die Gemeinden zurück. Erneut brach eine Periode unkontrollierbarer Holznutzungen an, deren Wunden noch allerorts in Form verlichteter "Plünderwälder" zu sehen sind. Vor allem in den Gebieten an der Waldgrenze brachte diese Nutzung auf den "besten Stamm" mit nachfolgendem Vieheintrieb in die aufgelichteten Flächen, äußerst nachteilige Folgen mit sich. Bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts fehlte es an geeignetem Personal zur Überwachung der Durchführung von forstlichen Bestimmungen. Die ursprünglich sicher auch vorhandene Lawinen- und Wildbachtätigkeit so wie die Degradierung und Verwüstung von Kulturgründen erreichten auf diese Weise in verschiedenen Gebieten ein Ausmaß, das zu ernster Besorgnis Anlaß geben muß. Die ersten statistischen Angaben liefert der "Leopoldinische Kataster" aus dem Jahre 1628. Daran schließt der "Theresianisehe Kataster" von 1778. Über die Almverhältnisse gibt die "Graf'sehe Alpstatistik", verfaßt 1870, Auskunft und kann als Vergleich zu dem modernen Alpkataster herangezogen werden. Die Forstwirtschaft betreffend sind neben Katastralangaben nur wenige Operate vorhanden. Wertvolles statistisches Material liefern die Ergebnisse der österreichischen Waldstandsaufnahme 1952 - 1956. Untersuchungen in 11 Gemeinden des Wipptales (Brennergebiet-Tirol-Österreich) zeigen den Einfluß der Bewaldung und des Waldrückganges auf die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft seit dem 18, Jahrhundert. Dabei werden sowohl flächenhafte, als auch strukturelle Veränderungen der Wälder in die Betrachtung miteinbezogen. Nach einem allgemeinen Überblick werden vergleichend historische und rezente Verhältnisse, vor allem was die Forst- und Alpwirtschaft betrifft, interpretiert. Es wird gezeigt, daß auch im Wipptal die schlecht geregelte Alpwirtschaft und die überwiegend extensive (historische) forstliche Nutzung, vor allem die Struktur der subalpinen Wälder an der Waldgrenze im Laufe von ca. 200-250 Jahren stark verschlechterte. Im Vergleich zu klimatisch extremeren Gebieten (Pitztal) ist der Waldflächenrückgang verhältnismäßig gering. Er beträgt für das Areal der 11 Gemeinden seit 1770/80 an die 2500 ha, das sind rund 15%, Die Waldflächenstadien sind in der Kartenbeilage dargestellt. Die Flächen jüngeren Datums sind jeweils dem historisch älterem Stadium hinzuzufügen; das Bewaldungsstadium 1800 beinhaltet also z.B. sämtliche Farbflächen. Bemerkenswert erscheint das Ansteigen der durch Waldweide belasteten Nutzflächen um 47% seit knapp 100 Jahren. In den meisten Gemeinden hatte ein starker Anstieg der Waldweide auch einen Holzvorratsabfall zur Folge (Abb. 23). Ein eigenes Kapitel ist den Lawinen und Wildbächen des Untersuchungsgebietes gewidmet. In diesem Zusammenhang wird anschließend versucht, generelle Hinweise für eine forstliche Restaurierung hinauszustellen. Unter der Voraussetzung einer partiellen, örtlich differenzierten Wirtschaftsumstellung wird aufgezeigt, daß neben einer erhöhten Wohlfahrtswirkung die forstlich ertragreichen Flächen um rund 1800 ha vergrößert werden könnten.
913 (Beziehungen zwischen Wald und landwirtschaftlich genutzten Flächen (Acker, Wiese, Weide usw.). Waldrodungen; Aufforstungen von landwirtschaftlichen Flächen; Wechselwirtschaft, wandernde Waldfeldwirtschaft. (Politik); Landnutzung [Siehe auch UDC 332.3 Landnutzung und Unterteilung für Querverweise und auch UDC 711.4 Landnutzung; UDC 712.2 Landschaftsplanung im allgemeinen]) 902 (Geschichte der Wälder und des Forstwesens [Unterteilung durch Querverweise zu den geographischen und sachlichen verwende 902:972 oder 972.1/.9 für bestimmte Organisationen]) [436.7] (Tirol)