Standardsignatur
Titel
Mäzenenwald. Zur Welt als Museum.
Verfasser
Seiten
11
Material
Artikel aus einer Zeitschrift
Datensatznummer
200206790
Quelle
Abstract
Museum, das – laut Duden – ursprünglich ein Heiligtum der Musen ist „ein Institut, in dem Kunstwerke sowie
kunstgewerbliche, wissenschaftliche, technische Sammlungen aufbewahrt und ausgestellt werden.“Das klingt erbaulich, das klingt nach einer durch und durch verheißungsvollen Konzeption. Andersherum heißt es aber auch: Das was im Museum ist, das was bewahrt werden muss, dem ist selbst die Lebensgrundlage entzogen worden. Es wird fossil – denn museal zu sein, heißt auch immer: tot, schaukastenhaft, mundgerecht portioniert. Es heißt vom
Wohlwollen eines wie auch immer gearteten Mäzenatentums abzuhängen, zu dem wir uns als Homo Sapiens aufgeschwungen haben. In den vergangenen 300 Jahren, seit Beginn der industriellen Revolution, befindet sich
die Natur in einem solchen Passepartout – einem genau kalkulierten Rahmen, den wir ihr noch zugestehen.
Rollen, die Wald, ebenso wie andere „verwilderte“ Landstreifen erfüllen dürfen, sind: Rohstoffquelle und Ausflugsziel. Letzteres, die museale Qualität, wird wie alle samtumschnürten Gemälde, ins Gegenteil verkehrt: Schauen Sie, wie wichtig uns diese Landschaft ist, dass wir sie zum Nationalpark verklärt haben. Das bedeutet
im Umkehrschluss aber auch: Wenn der Wald nun etwas ist, das man besucht wie einen Vergnügungspark, eine abgeschlossene Enklave, dann ist er nicht mehr die Norm, sondern ein Sonderfall. Nur weil wir in Betonwüsten leben, erhält der lebendige, echte Wald seinen Sonderstatus. Kein Teil unserer Umwelt. Denn Würde und Eigenokönomie
sowie -ökologie heißt: Nicht abhängig sein vom Wohlwollen der Herren. Dass die Begrenztheit der Existenz,
die der Wald noch fristen darf, bedenklich ist, wird vom Instagramfanatismus, von den Zigtausend Lobeshymnen
an die Natur, vor der man sich ablichtet, dabei nicht entkräftet. Ganz im Gegenteil: Der Wald ist deswegen
Anlass zur Fotografie, weil er als Anschauungsobjekt von uns getrennt ist. Erst aufgrund eines Art Antidarwinismus müssen wir uns „renaturalisieren“. Lange hat die Evolutionstheorie dafür gekämpft, den Menschen als Tier unter Tieren gegen religiöse Fanatik zu etablieren – nun müssen wir dasselbe mit den Erlösungsverheißungen der Technokratie unternehmen, die alles Heil im technischen Fortschritt sieht.