Standardsignatur
Titel
Langzeit-Feuerökologie der Schweiz
Verfasser
Erscheinungsort
Zürich
Verlag
Erscheinungsjahr
2010
Seiten
S. 424-432
Illustrationen
5 Abb., 1 Tab., 36 Lit. Ang.
Material
Artikel aus einer ZeitschriftUnselbständiges Werk
Datensatznummer
200168739
Quelle
Abstract
Ein zentrales Element des modernen Feuermanagements ist das detaillierte wissenschaftliche Verständnis der natürlichen, historischen und anthropogenen Ursachen der Brände und deren Wirkungen auf die Umwelt. Zusammen mit anderen Faktoren haben Feuer über Jahrhunderte und Jahrtausende zur aktuellen Landschaft und zu den heutigen Ökosystemen geführt. Dies ergaben moderne, paläoökologische Untersuchungen, die eine holistisch-quantitative Erfassung der Rolle der Feuer über lange bis sehr lange Zeiträume ermöglichen. Um paläoökologische Methoden lokal zu eichen und zu überprüfen, wurde für das Gebiet um den Lago di Origlio im Südtessin die Waldbrandstatistik der letzten 70 Jahre mit dem jährlichen Holzkohleeintrag (Influx) im Seesediment verglichen. Dabei zeigte sich, dass die mikroskopischen Holzkohleteilchen (0.01-0.2 mm) mit den regionalen Waldbrandhäufigkeiten im Umkreis von rund 20 bis 50 km korrelieren und die makroskopischen Holzkohleteilchen (> 0.2 mm) die lokalen Waldbrandhäufigkeiten im Umkreis von etwa 2 km wiedergeben. Ausgehend von den Pilotstudien im Tessin konnten für weitere Gebiete der Schweiz neue, wertvolle Einblicke in die natürlichen und anthropogenen Feuerregimes und deren langfristige Wirkungen auf die Vegetation gewonnen werden. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass die heutige Vegetation nicht nur auf der Alpensüdseite, sondern auch im schweizerischen Mittelland und in den Alpen durch die Langzeitwirkung des anthropogenen Feuers geprägt ist. Dadurch ist die heutige Verbreitung von feuerempfindlichen Baumarten wie Ulmen, Linden, Eschen und Ahornen in der kollinen und montanen Stufe sowie Weisstanne und Arve in der subalpinen Stufe viel geringer als unter den natürlichen Bedingungen, die vor Beginn der landwirtschaftlichen Brandtätigkeiten vorherrschten. Diese Verarmung der Waldvegetation über die Jahrtausende betraf die Südalpen, die Nordalpen und das Mittelland, nicht aber die von Natur aus zu Bränden neigenden Trockentäler der Zentralalpen, wo das Feuer eine wichtige natürliche ökologische Rolle spielt. Die Resultate zeigen deutlich, dass ohne paläoökologische Langzeitdaten eine korrekte Beurteilung der heutigen und der künftigen Umwelt-, Feuer- und Walddynamik nicht möglich ist. Die Umsetzung
von paläoökologischen Ergebnissen in der Praxis ist angesichts der Veränderungen, welche mit dem Klimawandel auf uns zukommen werden, unentbehrlich.