- Standardsignatur629
- TitelBeitrag der Forstwirtschaft zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der Lebensbedingungen in den ländlichen Räumen der Tropen und Subtropen
- Verfasser
- ErscheinungsortZürich
- Verlag
- Erscheinungsjahr1977
- SeitenS. 701-729
- MaterialUnselbständiges Werk
- Datensatznummer200154038
- Quelle
- AbstractVon der bisherigen Entwicklungspolitik haben gerade die ärmsten Entwicklungsländer und in fast allen Ländern die ländlichen Räume am wenigsten profitiert. Die Reichen sind reicher, die Armen relativ und teilweise auch absolut ärmer geworden. Das Hauptinteresse der Entwicklungspolitiker konzentrierte sich auf die Industralisierung und die städtischen Räume und vernachlässigte die ländliche Bevölkerung. Starkes Bevölkerungswachstum, mangelnde Infrastruktur und Überbeanspruchung der ökologischen Grundlagen der Bodenproduktion führen zu grossflächiger Vegetations- und Bodendegradation, überdimensionierter Landflucht, welche das Absorptionsvermögen der Städte und industriellen Ballungsräume überschreitet, sowie zu zunehmender Armut in den ländlichen Räumen. Die regionalen Ungleichgewichte haben in vielen Entwicklungsländern ein Ausmass erreicht, das aus sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gründen unertragbar wird um die weitere Gesamtentwicklung der betreffenden Länder gefährdet. Die Forstpolitik in den meisten Entwicklungsländern verfolgte bisher zwei Hauptlinien, nämlich die Mobilisierung der Holzvorräte in den ausgedehnten Naturwäldern und die Schaffung von grossen Plantagen raschwüchsiger Baumarten zur Erzeugung homogener Industrierohstoffe. Die Mobilisierung der Holzvorräte in den Naturwäldern erwies sich als weit weniger effizient als erwartet und trug kaum zur gesunden Entwicklung der ländlichen Räume bei. Wohl ist der Tropenholzexport der Entwicklungsländer stark gewachsen, bei der Ausfuhr überwiegt aber immer noch bei weitem das Rundholz, das in den Industrieländern weiterverarbeitet wird. Die erhoffte Multiplikatorwirkung in den Entwicklungsländern ist weitgehend ausgeblieben; es wurden nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen; der Import von teuren Maschinen und Treibstoffmengen absorbierte einen wesentlichen Teil der Deviseneinnahmen aus dem Rundholzexport, und durch die selektive Nutzung lediglich einiger besonders wertvoller Baumarten wurden grosse Waldflächen in ihrem zukünftigen Produktionspotential beeinträchtigt oder dem Brandackerbau geöffnet. Die industriellen Holzplantagen wurden vor allem in wenig bevölkerten Gegenden angelegt und einseitig im Hinblick auf die Bedürfnisse der Grossindustrie oder für den Export von Rohholz konzipiert. Gerade in den dicht besiedelten ländlichen Problemräumen haben sie wenig zur Verbesserung der Situation der lokalen Bevölkerung beigetragen. Es erweist sich daher als notwendig, neben den bisherigen forstpolitischen Linien eine dritte Art Forstwirtschaft, die als kommunale Forstwirtschaft bezeichnet werden kann, zu entwickeln. Diese kommunale Forstwirtschaft orientiert sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Bevölkerung der ländlichen Räume und soll die bisherige Bodennutzung, die weitgehend auf Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln ausgerichtet ist, ergänzen. Je nach den lokalen Verhältnissen kann die Versorgung mit Heiz-, Koch- und möglicherweise motorischer Energie, die Erzeugung von Holz für den Eigenbedarf der Landwirtschaft und des Kleingewerbes, ein Beitrag der Forstwirtschaft zur Ernährung von Menschen und Vieh, Nebennutzungen als Ausgangsmaterial für Gewerbe und Industrie usw. im Vordergrund stehen. Neben der Erzeugung von Gütern spielen die Dienstleistungen von Wald- und Baumbeständen, besonders die Verbesserung des Wasserhaushaltes, Erosionsschutz, Windschutz für Kulturen, Schattenspender für Mensch und Tier usw. eine entscheidende Rolle. In den feuchten Tropen haben agro-forstliche Landnutzungssysteme, welche landwirtschaftliche Kulturpflanzen auf ein und derselben Fläche mit perennierenden Bäumen und Sträuchern kombinieren und die bis zu einem gewissen Grade die Verhältnisse des tropischen Regenwaldes simulieren, eine wesentliche Bedeutung für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und die Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion. Kommunale Forstwirtschaft unterscheidet sich in Zielsetzung und Wirtschaftsführung grundsätzlich von der Nutzung grossflächiger Naturwälder und den industriellen Plantagenbetrieben. Die Wirtschaftsziele sind unter Berücksichtigung aller lokalen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Landwirtschaft, der Viehwirtschaft und des Gewerbes durch interdisziplinäre Teams in engem Kontakt mit der lokalen Bevölkerung und unter deren weitgehender Einschaltung in die Planung und Durchführung der Massnahmen festzulegen. Die Investitionen sollten vorwiegend in Form von produktiver Arbeit aus dem Raume selbst erfolgen. Arbeitsintensive Technologien sind daher weitgehender Mechanisierung vorzuziehen. Notwendige Maschinen und Geräte sollten so konzipiert werden, dass sie von lokalen Handwerkern hergestellt und unterhalten werden können. Die Erträge der kommunalen Forstwirtschaft sollten zur weiteren Verbesserung der Produktionsgrundlagen und Lebensverhältnisse im gleichen Raum reinvestiert werden. Staatliche Forstpolitik, Gesetzgebung und Forstorganisation müssen auf die besonderen Bedürfnisse einer kommunalen Forstwirtschaft Rücksicht nehmen und vor allem auch die Mitwirkung und Mitverantwortung der lokalen Bevölkerung sicherstellen. Kommunale Forstwirtschaft ist an sich nichts Neues. In vielen heute industrialisierten Ländern hat sie bis in diesen Jahrhundert hinein eine bedeutende Rolle gespielt. Um so erstaunlicher ist es, dass diese Möglichkeit der Verbesserung der Situation der ländlichen Räume von der offiziellen Entwicklungspolitik der meisten Entwicklungsländer und auch der internationalen Organisation bisher weitgehend vernachlässigt wurde. Kommunale Forstwirtschaft ersetzt die bisherigen forstpolitischen Hauptlinien in den tropischen Entwicklungsländern nicht, ergänzt sie aber und verdient in Forschung, Lehre und praktischer Forstpolitik vermehrte Beachtung.
- Schlagwörter
- Klassifikation
Hierarchie-Browser