Standardsignatur
Titel
Holozäne Schneelawinen und prähistorische Almwirtschaft und ihr Einfluss auf die subalpine Flora und Vegetation der Schwarzensteinalm im Zemmgrund (Zillertal, Tirol, Österreich)
Verfasser
Erscheinungsort
Wien
Verlag
Erscheinungsjahr
2007
Seiten
S. 191-226
Illustrationen
18 Abb., 9 Tab., zahlr. Lit. Ang.
Material
Artikel aus einer ZeitschriftUnselbständiges Werk
Datensatznummer
200148196
Quelle
Abstract
Die an Torfsedimenten aus dem Schwarzensteinmoor, sowie den Kleinstmooren Schwarzensteinalpe
und Schwarzensteinboden erarbeiteten Pollen-, extrafossilien- und großrestanalysen erlauben die
detaillierte rekonstruktion der Vegetationsgeschichte, des Klimaverlaufs, der Großlawinenereignisse
sowie der anthropogenen Nutzung der Schwarzensteinalm im Zemmtal für die letzten 10.000 Jahre. Die ältesten Ablagerungen des Schwarzensteinmoores stammen aus der Mittelsteinzeit (Mesolithikum). An Hand im Torf vorgefundenen Zirbenstämmen (Pinus cembra) konnten 26 Großlawinenereignisse dendrochronologisch
erfasst werden, die seit 6255 v. Chr. in relativ regelmäßigen Abständen aufgetreten sind und ihre Spuren in der Vegetation hinterliessen. Auf Grund der palynostratigraphischen Veränderungen müssen diese Ereignisse nicht nur und erwartungsgemäß kurzzeitige Rückschläge in den Zirbenpopulationen bewirkt haben, sondern teilweise - und möglicherweise je nach Lawinentyp - auch die als lawinentolerant geltenden Grünerlen (Alnus viridis) und Latschen (Pinus mugo) zumindest kurzfristig in ihrer Blühfähigkeit und Populationsdichte getroffen haben. Auf Grund der Vegetationsrekonstruktion konnte in diesem Zusammenhang die anteilsmäßige Bedeutung der beteiligten Lawinentypen nach dem Kriterium ihrer Bewegungsform (vorwiegend staubförmig, vorwiegend fließend oder in einer Mischform) eingeschätzt werden. In der Jungsteinzeit (Neolithikum) zeigen sich ab ca. 4100 v. Chr. die ersten anthropogenen Eingriffe im Pollenprofil des Schwarzensteinmoores, die sich
mit Hilfe typischer Zeigerpflanzen als mensch- bzw. haustierbedingt nachweisen lassen. Wir müssen demnach davon ausgehen, dass der Mensch mit seinen Haustieren seit über 6.000 Jahren, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, zwecks Weide- und Almwirtschaft in unserem Forschungsgebiet weilte. Eine in unmittelbarer Nähe der Schwarzensteinalm ausgegrabene archäologische Fundstelle (Lagerplatz mit Feuerstellen) aus der mittleren Bronzezeit (datiert auf 1610 v. chr.) zeigt, dass diese frühen Hirten das Tal damals auch besiesiedelt haben. Spezifische, bisher für diese Höhenlagen wenig beachtete und quantifizierte Extrafossilien (Nonpollen-palynomorphs, wie etwa Pilzsporen und Schneealgenzysten) erlauben z.B. Rückschlüsse auf das holozäne Schneevorkommen. Das regelmässige, massive Auftreten der Traubengrünalge Botryococcus vom Neolithikum bis zur späten Eisenzeit ist zudem wohl mehrheitlich auf einen starken, erosions- und exkrementbedingten Nährstoffeintrag (Eutrophierung) in das Schwarzensteinmoor auf Grund der nachgewiesenen, prähistorischen Brandrodung und Beweidung zurückzuführen. Sporen von obligat koprophilen Pilzen weisen zusammen mit den palynologisch nachgewiesenen Weide- und Siedlungszeigern auf die steigende almwirtschaftliche Bedeutung des Zemmtals (bzw. der Schwarzensteinalm) seit der Bronzezeit hin. Unsere Pollenanalysen erlauben auch einen stetigen Roggenanbau (Secale cereale) seit etwa 150 n. Chr. (Römerzeit) für die Tal- und montanlagen im hinteren Zillertal und/oder Ahrntal (Südtirol) nachzuweisen. im Mittelalter wurden die Almen wohl ebenfalls
relativ stark bewirtschaftet und die Weidewirtschaft intensiviert. In der Neuzeit kann dann der Einfluss der Klimadepression der sogenannten Kleinen Eiszeit auf die lokale Vegetation nachgewiesen werden, obwohl die Almbewirtschaftung wohl nicht nachgelassen hat, sondern gemäss den historischen Quellen wohl flächenmässig sogar zugenommen haben dürfte, vielleicht um talseitige Ernteausfälle auszugleichen. Seit der maximalen Gletscherausbreitung um 1850 n. Chr. ist ein verstärkter anthropogener Eingriff im Untersuchungsgebiet zu erkennen, der bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts angedauert hat. Seitdem hat die Haustierbestossung des Zemmtals und der Schwarzensteinalm sukzessive abgenommen, und gleichzeitig der Wander-, Bergsteiger-, und Mineralientourismus zugenommen.