Blüten entstehen als Ausdruck eines komplexen, morphologischen Differenzierungsprogramms am apikalen Sprossmeristem. Die Rosettenpflanze Arabidopsis ist für Untersuchungen der Blütenentwicklung eine wichtige Modellpflanze. Die vier Blütenorgane - Kelchblätter (Sepalen), Kornblätter (Fetalen), Staubblätter (Stamina) und Fruchtblätter (Karpelle) - entstehen in vier Wirteln. Drei Klassen von Genen regulieren die Blütenbildung. Zur ersten Klasse gehören positiv regulierende Gene (Meristemidentitätsgene). Die wichtigsten dieser Gene in Arabidopsis sind APETALA1 (AP1) und LEAFY (LFY). Die Meristemidentitätsgene agieren als positive Regulatoren für eine andere Klasse von Genen, die Blütenorganidentitätsgene. In Arabidopsis kennen wir fünf solcher Gene: AP1, AP2, AP3, PISTILLATA (P1) und AGAMOUS (AG). Die dritte Gruppe besteht aus den Katastergenen. Sie sorgen für die räumliche Zuordnung der Blütenorganidentitätsgene, indem sie die Grenzen der Expression festlegen. Die Identität der Blütenorgane wird durch homöotische Gene kontrolliert. Die meisten pflanzlichen homöotischen Gene enthalten die MADS-Box. Mutationen in diesen Genen ändern die Identität der Blütenorgane in zwei angrenzenden Wirteln. Das ABC-Modell versucht zu erklären, wie die homöotischen Gene die Organidentität bestimmen. Möglich wird dies durch die spezifische Kombination ihrer Genprodukte. Gene vom Typ A kontrollieren die Identität der Blütenorgane im ersten und zweiten Wirtel. Typ-B-Gene kontrollieren den zweiten und dritten Wirtel. Der dritte und vierte Wirtel wird von Genen des Typs C kontrolliert. Die Fähigkeit zu Blühen (das heißt von der juvenilen in die reife Phase überzugehen) ist erreicht, wenn die Pflanze ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte Größe erreicht hat. Manche Pflanzen gehen unabhängig von den Umweltbedingungen autonom zur Blütenbildung über. Andere Pflanzen müssen dagegen geeigneten Bedingungen ausgesetzt sein. Die Blütenbildung wird dabei am häufigsten durch Tageslänge und Temperatur bestimmt. Die Reaktion auf die Tageslänge - Photoperiodismus - ist von einer bestimmten Jahreszeit abhängig. Wir kennen mehrere Kategorien von Reaktionsformen. Das photoperiodische Signal wird über das Blatt wahrgenommen. Manche Pflanzen sind auf ein Kältesignal - Vernalisation - angewiesen, das häufig an eine bestimmte Tageslänge gekoppelt ist. Das Kältesignal wird im apikalen Sprossmeristem perzipiert. Photoperiodismus und Vernalisafion können vielfach interagieren. Tagesrhythmen - circadiane Rhythmen - sind dazu geeignet, ein Ereignis mit einer bestimmten Tageszeit zu synchronisieren. Als Zeitmesser fungiert ein endogener Oszillator. Um mit der lokalen Tageszeit synchron zu gehen, kann eine phasenabhängige Reaktion dem Rhythmus von Umweltsignalen angepasst werden. Die wichtigsten dieser Signale sind die Morgen- und die Abenddämmerung. Kurztagpflanzen (SDPs) kommen zur Blüte, wenn eine kritische Länge der Dunkelphase überschritten wird. Langtagpflanzen blühen, wenn die Dunkelphase einen Schwellenwert unterschreitet. Gibt man während der Dunkelphase zu bestimmten Zeiten mit einer ausreichenden Dauer Störlicht, werden diese Effekte aufgehoben. Licht kann auch den circadianden Oszillator beeinflussen und so den photoperiodischen Rhythmus einstellen - eine wichtige Fähigkeit, damit die Zeitmessung im Dunkeln weiter stattfinden kann. Kurz- und Langtagpflanzen zeigen gewisse Unterschiede in ihrem photoperiodischen Mechanismus, bei beiden sind jedoch Phytochrom sowie ein circadianer Oszillator beteiligt. Setzt man Pflanzen, die auf die Photoperiode reagieren, der geeigneten Tageslänge aus, senden die Blätter ein chemisches, blüteninduzierendes Signal zum Sprossapex. Dieses übertragbare Signal vermag die Blüte in Pflanzen auszulösen, die verschiedenen photoperiodisch reagierenden Gruppen angehören. Blätter von Langtagpflanzen können bei nichtinduzierenden Tageslängen auch einen Inhibitor der Blütenbildung produzieren. Obwohl vor allem Pfropfungsexperimente die Existenz des übertragbaren Blühreizes, bzw. eines Inhibitors, nachgewiesen haben, kennen wir die chemische Natur dieses Stoffes noch nicht. Bei vielen Pflanzen können Wuchshormone, insbesondere Gibberelline, die Blühinduktion modifizieren. Der Mechanismus der photoperiodischen Zeitwahrnehmung erfolgt sowohl in Langtag- als auch in Kurztagpflanzen nach dem Koinzidenzmodell. Langtagpflanzen bilden Blüten, wenn die Expression des CONSTANS-Gens (CO) mit der Lichtperiode übereinstimmt. Das im Phloem lokalisierte CO akfiviert dann das stromabwärts liegende Zielgen FLOWERING LOCUS T (FT), das zu einer Akfivierung des Blühreizes führt. Der florale Stimulus ("Florigen") wird anschließend über das Phloem zum Apikalmeristem transportiert, wo er die Blütenbildung induziert. Das FT-Protein selbst oder seine mRNA sind Kandidaten für den mobilen Reiz. In Kurztagpflanzen wirkt CO während der Lichtperiode auch als Inhibitor der Blütenbildung, sodass die Blüte erst einsetzt, wenn CO ausschließlich im Dunkeln synthetisiert wird. Der Übergang zur Blütenbildung wird durch eine Vielzahl von Signalen und Signalwegen reguliert. In Arabidopsis wird die Blütenbildung über vier Wege kontrolliert: den photoperiodischen Weg, den autonomen Weg oder die Vernalisierung, und zwei Wege, die von Saccharose bzw. Gibberellinsäure abhängen. Alle Wege laufen bei der Regulation der Meristemidenfitätsgene SUPPRESSOR OF CONSTANS 1 (SOC1) und LFY zusammen. SOC1 und LFY regulieren ihrerseits die homöotisehen Blütengene zur Bildung von Blütenorganen. Diese vielen Wege zur Kontrolle der Blütenbildung stellen für Angiospermen eine große Flexibilität dar, sich unter den verschiedenen Umweltbedingungen zu reproduzieren, und erhöhen die evolutionäre Fitness.