Durch die Kombination aus experimentellen und analytischen Ansätzen nimmt das Verständnis von Pflanzenwachstum und -entwicklung immer weiter zu. Durch die Beschreibung einer veränderten Entwicklung auf molekularer Ebene und die Korrelation dieser Veränderungen mit er Aktivität spezifischer Gene lassen sich genaue und überprüfbare Modelle für die zugrunde liegenden Mechanismen entwickeln. Obwohl die biologische Entwicklung naturgemäß ein forlaufender und komplexer Prozess ist, lassen sich relativ abgegrenzte Entwicklungsprogramme unterscheiden, die semiautoom ablaufen. So gehen zum Besipielt bestimmte Aspekte der Entwicklung wie die Embryogenese in Individuen, die durch eine Mutation keine normalen vegetativen Blätter ausbilden könne, relativ normal vor sich. In ähnlicher Weise müssen sich auch Mutationen in Genen, die die Blütenentwicklung verändern, nicht unbedingt auf vegetative Prozesse auswirken. Die systematische Erfassung der Phänotypen von Entwicklungsmutanten erlaubt die Definition von Gruppen funktionell verwandter Gene. Durch die Kombination von genetischen und molekularen Methoden lassen sich die Beziehungen zwischen den funktionellen Komponenten eines Prozesses aufdecken. So finden wir zm Beispiel, dass der Gehalt und die Verteilung von Auxin eine Vielzahl von Prozessen beeinflusst, zu denen die Etablierung der apikal-basalen Polarität und die Organogenese gehören. Die asymmetrische Verteilung von PIN-Auxinaustromproteinen in der Zelle, scheint eine entscheidende Rolle bei der Etablierung des Auxinverteilungsmusters zu spielen. Dieses trifft sowohl für den sich entwickelnden Embryo als auch für die anschließene vegetative Entwicklung zu. Zwei Klassen von Proteinen spielen bei der Vermittlung der Auxinantwort eine antagonistische Rolle: Auxin-Response-Faktoren (ARFs), die als Transkriptionsaktivatoren von auxininduzierten Genen fungieren, und Repressorproteine, die die Aktivität der ARF-Proteine inhibieren. Letzlich sind es die auxinresponsiven Gene selbst, die vermutlich spezfisches auxinkontrolliertes Wachstum vermitteln. Bei der radialen Musterbildung wurde die Bedeutung von mehreren Klassen von Genen über ihre lokalisierte zellschichtspezifische Expression bestimmt, wie auch ihre Funktion durch genetische analysen ermittelt. Für die frühen Stadien der Embryogenese lassen sich epidermisspezfische Marker feststellen. Zu ihnen gehören Transkriptionsfaktoren wie ARABIDOPSIS THALIANA MERISTEM LAYER 1 (ATML1) und PROTODERMAL FACTOR 2 (PDF2), deren Aktivität für die normale Entwicklung der Epidermis von Bedeutung ist. Ein weiteres Paar verwandter Transkriptionsfaktoren werden durch SARECROW (SCR) und SHORTROOT (SHR) codiert, die für die normale Entwicklung von cortikalen und endodermalen Zellschichten notwendig sind. Die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Proteinen stellt ein außergewöhnlich gutes Beispiel für die induzierenden Interaktionen zwischen Zellen dar. In diesem Fall scheint der Transport des SHR-Proteins aus den Gefäßschichten in die benachbarten äußeren Schichten, die spezifisch SCR exprimieren, eine Aufteilung von endodermalen und cortikalen Aktivitäten zu ermöglichen, wodurch getrennte Schichten entstehen. Die normale Entwicklung von Phloem und Xylem ist häufig auch an spezifische, genetisch kontrollierte Aktivitäten gekoppelt. Aluxinregulierte Genaktivitäten, wie die bei der beiden ARF-Gene MONOPTEROS (MP) und der verwandten NONPHOTOTROPIC HYPOCOTYL 4 (NPH4) sind ebenfalls für die normale Gefäßentwicklung notwendig und sind ein Hinweis von vielen für die Bedeutung von Auxin für die normale Gefäßentwicklung. Schließlich lassen Phloemdefekte in wooden leg (wol)-Mutantn vermuten, dass auch Cytokinin bei dieser Entwicklung eine Rolle spielt. Für das nichtdeterminierte Wachstum, das Pflanzn von Tieren unterscheidet, stellt sich Auxin einmal mehr als „Spielmacher" dar. In der Wurzel scheinen hohe Auxinkonzentrationen die Expression von bedeutenden Transkriptionsfaktoren wie PUTHORA (PLT) 1 and 2 hervorzumfen, die ihrerseits für die Etablierung des ruhenden Zentrums und der assoziierten Apikalinitialen verantwortlich sind. Im Spross führt eine relativ niedrige Auxinkonzentration in den Intercotyloedonarregionen des Embryos zur Expression von CUP-SHAPED COTYLEDON (CUC)-Genen. Dabei handelt es sich um Transkriptionsfaktoren, die für die Etablierung der zellteilungsfördernden KNOX-Genaktivität wie STM verantwortlich sind. Die Erhaltung der Aktivitäten des Apikalmeristems stellt ein weiteres gut untersuchtes Beispiel für genetische Wechselwirkungen dar. Das gilt besonders für das apikale Sprossmeristem, in dem WUSCHEL-(WUS-) und CLAVATA-(CLV-)Gene eine autoregulatorische Rückkoppelungsschleife zu bilden scheinen. Man nimmt an dass die Expression des WUS-Gens, das einen Transkriptionsfaktor nut Homöodomäne codiert, auf unbestimmte Weise die Stammzellaktivität fordert, während gleichzeitig die Transkription von CLV3 verstärkt wird. Das CLV3-Protein aktiviert wiederum den CLV1/CLV2-LRR-Kinasekomplex, dessen Aktivität letztendlich zu einer Repression der WUS-Transkription führt. Eine ähnliche Rückkopplungsschleife könnte für die Aufrechterhaltung des apiklaen Wurzelmeristems verantwortlich sein. Bei der übewiegenden mehrheit der Entwicklungsprozesse, für die Modelle entwickelt worden sind, speilen Transkriptionsfaktoren die wichtigste Rolle. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind aber weiter "stromabwärts" andere Formen von Genprodukten, wie solche, die spezifische Muster von Zellwachstum und -differenzierung vermitteln, ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Seneszenz und programmierter Zelltod sind zusätzliche entscheidene Aspekte der pflanzlichen Entwicklung. Pflanzen zeigen eine Vielzahl von Seneszenzphänomenen. Blätter sind genetisch für Seneszenz und Absterben programmiert. Seneszenz ist ein aktiver Entwicklungsprozess, der durch das genetische Programm der Pflanze kontrolliert und durch spezifische Umwelt- und Entwicklungssignale eingeleitet wird. Seneszenz ist eine geordnet ablaufende Folge von cytologischen und biochemischen Ereignissen. Die Expression der meisten Gene wird während dieses Vorgangs verringert, doch die Expression mancher Gene (seneszenzassoziierte Gene, SAGs) wird erst jetzt induziert. Die neu aktivierten Gene codierten verschiedene hydrolytische Enzyme wie Proteasen, Ribonucleasen, Lipasen und Enzvme, die die Ethylenbiosynthese vermitteln. Diese Enzyme sind an Abbauprozessen im absterbenden Gewebe beteiligt und sie unterstützen die Wiederverwendung der Nährstoffe aus diesen Geweben durch die lebende Pflanze. Programmierter Zelltod (PCD) ist eine spezialisierte Form der Seneszenz. Eine wichtige Funktion des PCD in Pflanzen ist der Schutz gegen pathogene Organismen, der als hypersensitive Reaktion bezeichnet wird und der erwiesenermaßen ein genetisch programmierter Prozess ist.