Standardsignatur
Titel
Spezifikation räumlicher Bestandes- und Populationsmodelle mit sensitiven Grammatiken : 12. [Zwölfte] Tagung : Herbstkolloquium
Verfasser
Erscheinungsjahr
2000
Seiten
S. 259-278
Illustrationen
20 Lit. Ang.
Material
Unselbständiges Werk
Datensatznummer
200085790
Quelle
Abstract
In der individuenbasierten Simulation von Pflanzen- und Tierpopulationen wurden bisher häufig die Wachstum- und Interaktionsregeln unmittelbar im Quellcode des Simulationsprogramms in einer prozeduralen oder objektorientierten Allzwecksprache implementiert - mit dem Nachteil einer relativ geringen Flexibilität, wenn die Regeln geändert werden sollen. Im Quellcode wird häufig noch das abstrakte, biologische Modell mit technischen Aspekten der Datenverwaltung verquickt. Modelle, die auf "zellulären Automaten" beruhen, bieten zwar einen höheren Gehalt an Abstraktion und eine striktere Trennung von Software und Regelsystem (Transitionsfunktionen der Gitterzellen). Häufig ist aber ihre inhärente Auszeichnung bestimmter räumlicher Richtungen und Skalenbereiche unerwünscht. Eine Alternative stellen erweiterte Lindenmayer-Systeme (Wachstumsgrammatiken) dar: Parallele string-rewriting-Systeme, die mit topologischen und geometrischen Semantiken ausgestattet werden und bisher vor allem zur Modellierung der zeitlichen Entwicklung der Architektur pflanzlicher Verzweigungssysteme herangezogen wurden. Durch die Hinzufügung sogenannter sensitiver Funktionen, die eine Rückkopplung zwischen erzeugter geometrischer Struktur und Regelanwendungsprozeß herstellen, können Interaktionen zwischen Individuen derselben oder unterschiedlicher Arten im Modell realisiert werden. Erste, einfache Beispiele behandeln Pflanzen und tierische Pflanzenfresser als kreis- bzw. punktförmige Objekte. Sensitive Funktionen fragen geometrische Lagebeziehungen ab (gegenseitige Überschattung von Pflanzen) und steuern einen Transfer von Kohlenstoff von den Primärproduzenten auf die Phytophagen, sofern die Lagerelationen dies erlauben. Einfach manipulierbare und austauschbare Regeln beschreiben die Mobilität der Tiere (Zufallsbewegungen / gezielte Nahrungssuche) und das Vermehrungsverhalten. Das globale Langzeitverhalten solcher einfacher Modellsysteme zeigt bereits grobskalige räumliche Musterbildungsvorgänge, Fluktuationen der Populationsstärken und (bei bestimmten Parameterkombinationen) das Aussterben von Arten. Die Software GROGRA liest die in Textdateien niedergelegten Regelsysteme ein, setzt sie in Zeitreihen von Grafiken der Bestandesstruktur um und stellt Analysewerkzeuge zur Verfügung. Damit ist bereits eine weitgehende Trennung von Modellspezifikation und Software-Quellcode vollzogen. Lediglich bei tiefergehenden Änderungen an den sensitiven Funktionen muß ein Teil der Simulationssoftware neu kompiliert werden. Es wird angestrebt, auch diese Interaktionsmechansimen in einer stärker abstrahierenden Form zu beschreiben und voll in den Formalismus der Grammatiken zu integrieren.