Die Bewertung der aktuellen und potentiellen Gefährdung von Pflanzen in den Roten Listen hat bisher nur die Veränderung der Umweltfaktoren als Ursache in Betracht gezogen. Dieser Ansatz beschreibt aber nur die Muster des Biodiversitätsverlustes. Er ist aber nicht in der Lage, die Regeln zu erklären, die zu den Mustern des Verlustes an Arten bzw. Diversität führen. Dazu ist nicht nur die Quantifizierung der entsprechenden Standortfaktoren notwendig, sondern auch die Analyse biologischer Merkmale von Pflanzen, die es ihnen erlauben, auf Veränderungen der Landnutzung wie Entwässerung, Düngung, Brachfallen und die zunehmende Fragmentierung und Isolation der Lebensräume zu reagieren. So wurde auch in der neuesten Roten Liste bereits die Forderung der Einbeziehung "biologischer Risikofaktoren" aufgestellt. Diese Merkmale oder "biologischen Risikofaktoren" umfassen die verschiedenen Möglichkeiten der Persistenz nach Nutzungsänderung bzw. -aufgabe und der Ausbreitung und Etablierung. Als Ergebnis eines Workshops, der von den Autoren in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz im November 1999 durchgeführt wurde, wurde die folgende Liste von vegetativen und generativen Merkmalen in Bezug auf Persistenz, Ausbreitung und Etablierung erarbeitet. Die vegetativen Merkmale umfassen solche zur vertikalen und lateralen Expansion, Lebensdauer, Streßtoleranz und Reaktion auf Störungen. Die generativen Merkmale umfassen solche zur Reproduktion, zum Befruchtungssystem bzw. zur Bestäubung, zur Ausbreitung in Raum und Zeit (Dauerhaftigkeit der Samenbank) und Keimung und Etablierung. Die Merkmale und ihre Bedeutung für eine "Risikoanalyse" werden erläutert. Diese Liste stellt die Grundlage für eine Biologische Flora-Datenbank dar, die in Zukunft aber nicht nur eine umfassendere Analyse und Bewertung der aktuellen und potentiellen Gefährdung einer Pflanzenart erlaubt, sondern auch als "Werkzeug" für die Planung und Vorhersage der Auswirkung von Schutz-, Mangement und Renaturierungsmaßnahmen verwendet werden kann.