Mikroorganismen sind Bestandteil forstlicher Ökosysteme und neben Phanerogamen, Moosen, Flechten und zahlreichen Tierarten für die Biodiversität von grosser Bedeutung. In dem Beitrag wird auf die Beziehungen zwischen Wirts-Populationen und Parasiten-Populationen im Ökosystem eingegangen. Zwischen den Populationen besteht im natürlichen, ungestörten Ökosystem ein dynamisches Gleichgewicht, das sich koevolutiv entwickelt hat. Im gestörten Ökosystem kann es zu einem Ungleichgewicht kommen, das zu Epidemien oder Pandemien und damit zu einer existentiellen Gefährdung für die Wirts-Population führen kann. Anhand der folgenden Beispiele werden solche Entwicklungen dargestellt. - Rhabdocline-Nadelschütte der Douglasie: im nordamerikanischen Verbreitungsgebiet der grünen Küsten-Douglasie hat sich koevolutiv eine hohe Resistenz gegenüber dem Pilzparasiten herausgebildet. Im Gebiet der grauen und blauen Douglasien spielte diese Krankheit keine grosse Rolle, Resistenz hat sich daher nicht entwickelt. Das Verbringen dieser Douglasien-Formen in Gebiete, z.B. in Europa, mit für den Pilz optimalen Infektionsbedingungen hat daher zu starkem Befall und hohen Verlusten bei diesen Douglasien geführt. - Cronartium-Blasenrot an fünfnadeligen Kiefernarten: das Verschleppen des Erregers Cronartium ribicola aus dem ostasiatischen Ursprungsgebiet mit einem Wirt-Parasit-Gleichgewicht zwischen den dortigen Kiefern-Populationen und den Parasiten-Populationen in bisher Blasenrost-freie Gebiete (Nordamerika) hat wegen fehlender Resistenz gegenüber Cronartium zu starken Ausfaellen und damit zu einer genetischen Verarmung bei den betroffenen Kiefernarten geführt. - Kastanienkrebs Cryphoectria parasitica: Die Erkrankung von Castanaea-Arten durch Cryphonectria parasitica stellt unbalancierte Wirt-Parasit-Beziehungen dar, deren Anfang im Verschleppen des Parasiten in Erreger-freie Areale zu suchen ist. Die Beziehungen haben sich bis heute zu einem komplizierten System entwickelt, in dem die Variabilität innerhalb der Wirts-Populationen, der Parasiten-Populationen und bei der Virus-Krankheit des Pilzes ausserordentlich gross ist. Wechselseitige Einflüsse wirken sich auf die Krankheitsentwicklung nachhaltig aus. - Ulmenkrankheit durch Ophiostoma ulmi und Ophiostoma novo-ulmi: auch dieser Krankheits-Komplex zeichnet sich durch seine grosse Instabilität aus. Er ist gekennzeichnet durch ein kompliziertes System zwischen Wirtspflanze, Pilzparasiten, Mycovirs und Pilzvektor. Vermutlich handelt es sich hier um eine Beziehung zu einem frühen Zeitpunkt der Koevolution. - Das Auftreten eines Parasiten kann die Sukzession in einem Ökosystem stark beeinflussen, wie am Beispiel der Elytroderma-Nadelkrankheit in natürlichen kalifornischen Kiefernwäldern sowie der durch den Pilz Phellinus weirii hervorgerufenen Wurzelfäule in nordamerikanischen Tsuga/Abies/Pinus-Wäldern gezeigt wird. Die Beispiele sollen verdeutlichen, dass sich Wirts-Populationen und Parasiten-Populationen gegenseitig beeinflussen und Störungen unterschiedlichster Art zu erheblichen Ungleichgewichten führen können. Ein dynamisches Gleichgewicht in den Wirt-Parasit-Beziehungen kann jedoch auf Dauer nur erreicht werden, wenn grosse genetische Variabilität eine koevolutive Entwicklung fördert. Gerade im Hinblick auf stabile Wirt-Parasit-Beziehungen ist daher die Erhaltung einer grossen genetischen Vielfalt seitens der Wirtspflanzenarten, bzw. ganz allgemein die Erhaltung gesunder natürlicher Ökosysteme von grosser Bedeutung.