Dank den Forstpolizeigesetzen von 1876 und 1902 stehen die Wälder in der Schweiz seit mehr als hundert Jahren unter besonderem Schutz; insbesondere das Rodungsverbot sichert den Wald in seiner Fläche und Verteilung. Aus der Holzknappheit vergangener Jahrhunderte entstand die Forderung nach einer gesicherten, anhaltenden Holzversorgung; das Prinzip der nachhaltigen Bewirtschaftung wurde entsprechend früh zum erklärten Ziel der Forstwirtschaft. Die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald sind im Laufe der Zeit gestiegen: Neben den klassischen Funktionen der Holzproduktion und des Schutzes gegen Naturgefahren haben die Erholungsfunktion und die Lebensraumfunktion an Bedeutung gewonnen. Deutlich wird die Forderung nach mehr Naturschutz im Wald gestellt. Seit 1993 ist das neue Waldgesetz in Kraft, das diesen Aspekten Rechnung trägt. Es deckt sich weitgehend mit den am Umweltgipfel von Rio de Janeiro 1992 verabschiedeten Konventionen. Mit dem neuen Waldgesetz ist die Schweiz in der Lage, im Sinne der 1993 in Helsinki an der Europäischen Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder gefaßten Resolution die nachhaltige Entwicklung ihrer Wälder zu gewährleisten (BUWAL 1995). Die Helsinki-Resolution besagt: "Bewirtschaftungsmethoden und Nutzungsintensitäten sind so zu wählen, daß die biologische Vielfalt (Biodiversität), die Produktivität, die Regenerationsfähigkeit und die Vitalität des Waldes erhalten bleiben wie auch die Fähigkeit, heute und künftig seine ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionen auf lokaler, nationaler und weltweiter Ebene zu erfüllen." In der Folge haben Experten einen Katalog mit "Kriterien und Indikatoren" zur Überwachung der Nachhaltigkeit zusammengestellt (Ministerial Conference 1994). Die formulierten sechs Kriterien sind Teilziele oder Aspekte der nachhaltigen Waldnutzung in Europa und werden anhand von spezifischen Kenngrößen, sogenannten Indikatoren, überprüft. Struktur und Inhalt dieses Kapitels sowie die verwendeten Begriffe richten sich weitgehend nach diesen europäischen Vorgaben. Das LFI ist ein zentrales Instrument der Nachhaltigkeitskontrolle im Schweizer Wald und deckt heute mehr als die Hälfte aller Indikatoren ab. Trotzdem kann das LFI keinen vollständigen Überblick geben. Insbesondere die Informationen bezüglich Schadstoffdepositionen, Kronenverlichtung, Insektenschäden, Biodiversität und Informationen über soziopkonomische Aspekte werden im Rahmen anderer Projekte erhoben. Ausgeklammert bleibt hier auch die wichtige Rolle der Gesetzgebung (Schutz- und Förderungsmaßnahmen). Die Eidgenössische Forstdirektion (BUWAL 1998) hat einen umfassenden Bericht über die Schweiz zusammengestellt, mit allen Kriterien und Indikatoren. Das vorliegende Kapitel ist eine Synthese der LFI-Resultate aus verschiedenen Kapiteln unter Zitierung der entsprechenden Tabellen und Abbildungen. Dabei werden die international festgelegten Indikatoren für einzelne Kriterien um spezifisch schweizerische Indikatoren erweitert. Im Sinne einer Zusammenfassung ist in Tabelle 310 eine gutachtliche Gesamtinterpretation der LFI-Ergebnisse zu den einzelnen, in den folgenden Unterkapiteln diskutierten Indikatoren zusammengestellt. Eine absolute Beurteilung des Zustandes 1993-95 ist oft in Unkenntnis des "Normalzustandes" nicht möglich. In solchen Fällen müssen die Zustände aus wissenschaftlicher Sicht als indifferent interpretiert werden. Die Entwicklungen der letzten 10 Jahre sind dagegen einfacher zu beurteilen.