Beitrag zur Durchforstungsproblematik in gealterten, über 25-jährigen Kastanien-Niederwäldern : Untersuchungsergebnisse aus zwei Versuchsflächen (1975 bis 1997) in Novaggio, Kt. Tessin
In wlechem Masse sind die praktischen und wissenschaftlichen Durchforstungserfahrungen in ehemaligen Mittelwäldern und Hochwäldern des schweizerischen Mittellandes auf Kastanien-Niederwälder der Alpensüdseite übertragbar? Angesichts der Vernachlässigung der Kastanien-Niederwälder wurde diese Frage anfangs der siebziger Jahre aktuell. In diesem Sinne war unsere Versuchsanlage vor allem auf die Beantwortung der folgenden Fragen ausgerichtet: Welche Beiträge kann die Auslesedurchforstung zur langfristigen Überführung der Kastanien-Niederwälder leisten, speziell zur Verbesserung der Holzproduktion, der Qualität, der Vitalität, der Baumartenmischung bis schliesslich zur Einleitung der natürlichen Kernwuchsverjüngung? Es wurden zwei genügend grosse und möglichst homogene Bestände ausgesucht. Einerseits ein typischer Kastanien-Niederwald und andererseits ein solcher mit starker Zerr- und Flaumeichen-Beimischung. Innerhalb dieser zwei Bestände wurde je ein Versuchsflächenpaar mit je 50 Aren Flächengrösse eingerichtet: die eine Fläche mit Durchforstung, die andere ohne. 1975 erfolgte eine sehr detaillierte Zustandserhebung auf den vier Teilflächen. Alle Bäume über 8 cm Brusthöhendurchmesser wurden dauerhaft nummeriert, kluppiert, in Anlehnung an die IUFRO-Klassierung beurteilt und die Auslesebäume wurden markiert. 1976 wurden die dafür vorgesehenen zwei Teilflächen durchforstet. 1980 erfolgte eine zweite Zustandserhebung und 1996/1997 die abschliessende. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen und belegten weitgehend die in den letzten 20 Jahren gesammelten praktischen Erfahrungen mit den gealterten Kastanien-Niederwäldern auf trockenen Standorten, und ebenso verhält es sich mit den beigemischten Zerr- und Flaumeichen. Diese gealterten, über 25-jährigen Niederwälder vermögen den durch die Durchforstung bewirkten Vorratsabbau auch längerfristig nicht mehr zu kompensieren. Offenbar werden das Wachstum sowie die Reaktionsfähigkeit dieser gealterten Stockausschlagbestände mit fortschreitender Alterung stark vermindert. Als ausgeprägte Lichtbaumarten können die Kastanien und Eichen ihre Kronen in der Baumholzstufe nicht mehr genügend regenerieren, sobald diese durch den vorangegangenen Konkurrenzdruck zu stark verkleinert worden sind. Insgesamt belegen die vorliegenden Untersuchungsergebnisse unsere praktischen Beobachtungen und Erfahrungen: Die auf den Standorten der Alpennordseite gewonnenen Durchforstungserfahrungen können nicht auf die Kastanien-Niederwälder auf den trockeneren Standorten der Alpensüdseite übertragen werden. Die in unserer Untersuchunge angewandte Durchforstungstechnik kann aus unserer vorläufigen Sicht keine wesentlichen Beiträge leisten zur Verbesserung gealterter Kastanien-Niederwälder auf trockenen Standorten der Alpensüdseite.