Zur Pruefung der Hypothese, dass die im Vergleich zur kalabrischen Tanne nur geringe Anpassungsfaehigkeit der mittel- und osteuropaeischen Tannenpopulationen auf einer auch geringen genetischen Variation basiert, wurden die Allelhaeufigkeiten von 10 Enzym-Genloci in Saatgutproben aus 45 tannenbestaenden, die sisch auf sechs europaeische Laender verteilen, bestimmt. Die aus den beobachteten Allelverteilungen errechneten Werte mehrerer genetischer Variationsmasse zeigten, dass die genetische Vielfalt (Anzahl polymorpher Genloci, Anzahl an Allelen u.a.) in den kalabrischen Populationen groesser ist als in den mitteleuropaeischen Populationen, dass aber die genetische Diversitaet (bzgl. ihrer Haeufigkeit effektive Anzahl von Allelen) sich im Mittel kaum zwischen den Wuchsgebieten unterscheidet. Ausgehend von den sehr unterschiedlichen Allelanzahlen und -haeufigkeiten dieser Tannenpopulationen wurden die Begriffe "operierendes genetisches Potential" und "latentes genetisches Potential" eingefuehrt und als momentan adaptierter Genpool bzw. evolutionaer adaptiver Genpooldefiniert. Mit Hilfe eines Masses zur Quantifizierung des latenten genetischen Potentials konnte gezeigt werden, dass die kalabrischen Tannenpopulation bei weiterem groessere Werte aufweisen als die uebrigen europaeischen Populationen. Anhand dieser Resultate und unter Beruecksichtigung der Ergebnisse aus oekophysiologischen Experimenten und Anbauversuchen wurden die Ursachen der geringen physiologischen ("Tannensterben") und evolutionaeren Anpassungsfaehigkeit der mitteleuropaeischen Tanne diskutiert.