Am 17. Mai 1996 fand in Klingfurth (südlich von Wr. Neustadt) ein Hochwasserereignis statt, das von einem extremen Starkniederschlag verursacht wurde. Aus dem kleinen Einzugsgebiet (6 km2) sammelte sich eine ungeheure Menge an Geschiebe und Wasser, die talwärts fließend im Dorf Klingfurth große Schäden anrichtete. Vergleiche mit weltweit und österreichweit bekanntgewordenen Ereignissen ergaben, dass das Niederschlagsereignis zwar unterhalb der weltweiten Starkregenereignissen anzusiedeln ist, sich jedoch gut in die Reihe der in Österreich zwischen 1948 und 1993 bekanntgewordenen Extremniederschläge einordnen lässt. Die durch den Starkregen hervorgerufene, aus hydraulischen Berechnungen ermittelte Abflussspitze liegt jedoch ein wenig unterhalb der im Alpenraum der Schweiz und Österreich als extrem bezeichneten Abflussspitzen aus kleinen Einzugsgebieten. Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es gewesen, die Abflussganglinie dieses Extremereignisses zu ermitteln, obwohl in diesem Gebiet keine Abflussmeßstellen installiert sind und diese in weiterer Folge in einem Niederschlag-Abfluss-Modell nachzubilden. Die Ermittlung der Abflussganglinie erfolgte einerseits anhand einer Befragung in den betroffenen Gemeinden Walpersbach und Bromberg und andererseits durch hydraulische Berechnungen im Zuge einer Diplomarbeit von Drabek (1997). Die Auswertung der Ergebnisse dieser zwei Methoden brachte Fixpunkte der Abflusswelle hervor. Das Material, das die Befragung zusätzlich zu Tage gefördert hat - vor allem Fotos und Videofilme, die während oder nach dem Ereignis aufgenommen worden waren - zeigen bislang nur selten beobachtete und dokumentierte Vorgänge. Die Ermittlung der Niederschlagsverteilung ergab sich aus der vorhin erwähnten Befragung und aus den Aufzeichnungen der zwei nächstgelegensten Niederschlagsmessstellen des Niederösterreichischen Hydrographischen Dienstes. Obwohl sich die beiden Messstellen durch eine sehr gute Lage zum Einzugsgebiet auszeichnen - die Messstelle Bromberg liegt am Rande des Einzugsgebietes - wurde das Ereignis von keinem der beiden Messstellen erfaßt, was auf eine sehr begrenzte Ausdehnung des Niederschlagsereignisses hindeutete. So kam den durch die Befragung ermittelten Niederschlagshöhen enorme Bedeutung zu, weshalb ihre Richtigkeit überprüft werden musste. Die Überprüfung der zeitlichen Verteilung erfolgte durch die zeitliche Zuordnung der Gewitterzellen anhand der Blitzeinschläge in dem Gebiet, wo der stärkste Niederschlag stattfand, durch das Blitzortungsystem ALDIS. Die Überprüfung der Niederschlagshöhen erfolgt durch eine Sensibilitätsuntersuchung im Niederschlag - Abfluß - Modell. Da im Einzugsgebiet keine Abflussdaten zur Verfügung standen, und eine Nachbildung der Gebietsreaktion die Kenntnis der allgemeinen Beziehung zwischen Niederschlag und Abfluss verlangt, musste ein Vergleichseinzugsgebiet gefunden werden, das diese Forderungen erfüllte. Das Einzugsgebiet des Graschnitzbaches (Fischbacher Alpen, Stmk.), das von der Größe (19,9 km2), der Geologie und der Bodenaufbau her große Ähnlichkeiten aufweist und durch ein Messnetz der Forstlichen Bundesversuchsanstalt erfasst wird, wurde als Vergleichseinzugsgebiet herangezogen. Es wurden anhand der Dauer und der zeitlichen Verteilung des Niederschlages, die die in Klingfurth erhobenen Größen annähern, sechs Ereignisse ausgewählt. Eine dieser Ereignisse verursachte einen extremen Abfluss, so dass der Modellierung dieses Ereignisses eine besondere Bedeutung zukam. Bei der Bewertung und Einteilung der beobachteten Niederschlags- und Abflussganglinien konnte eine Abhängigkeit der Gebietsreaktion von der maximalen Intensität beobachtet werden, weshalb eine Einteilung der Ereignisse in drei Gruppen erfolgte. Die erste Gruppe mit maximalen Niederschlagsintensitäten über 1,0 mm/min schien, im Vergleich zu den anderen Gruppen, eine sehr rasche Abflusskomponente auszubilden. Die Gruppen II und III unterschieden sich in der durch ihre maximalen Niederschlagsintensitäten hervorgerufenen Abflussspitze, die aber durch ähnliche Abflussmechanismen entstanden zu sein schienen. Bei der ersten Analyse wurde festgestellt, dass im wesentlichen drei verschiedene Abflussmechanismen (langsame, mittlere und rasche Abflusskomponenten) für die Form der Abflusskurven verantwortlich sind, weshalb ein Niederschlag-Abfluss-Modell mit drei parallel geschalteten Speichern angewendet wurde. Da vermutet wurde, dass die rasche Komponente bei den Wellenformgruppen II und III nicht auftreten wird, wurde der zur dieser Abflusskomponente gehörende Speicher inaktiv gesetzt. Die Ermittlung des Effektivregens erfolgte mit Hilfe des SCS-Verfahrens, das im Laufe der Modellierung sich für diese Art von Ereignissen und Gebiet nicht gut anwendbar heraustellte. Das Gebiet zeigte auf die Regenblöcke hoher Intensitäten, die zumeist am Anfang fielen, eine raschere Reaktion, die nur durch die Wahl eines großen CN-Wertes erfasst werden konnte. Auf der einen Seite berücksichtigt das Verfahren die Gebietskenngrößen Bodenmächtigkeit und Geländegefälle nicht, die in diesem Gebiet extreme Werte annehmen, auf der anderen Seite steht solch eine Reaktion im Gegensatz zu den Annahmen des SCS-Verfahrens. Deshalb können die durch die Modellierung der sechs Ereignisse erhaltenen CN-Werte nicht als repräsentativ angesehen werden, wodurch eine Verwendung bei der Rekonstruktion des Hochwasserereignisses vom 17. Mai 1996 nicht zulässig wurde. Die anderen Parameter der Modellierung deuteten darauf hin, dass dieses Gebietsverhalten aufgrund der Überschreitung eines Schwellenwertes entsteht, der die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens beschreibt. Diese Parameter wurden übernommen und aufgrund der Gebietsunterschiede zwischen Einzugsgebieten des Graschnitz- und Klingfurtherbaches modifiziert für die Modellierung des Hochwasserereignisses vom 17. Mai 1996 verwendet. Die Erfüllung der Randbedingungen (Fixpunkte) und die Schlussfolgerungen ergaben eine sinnvolle Lösung. Andere Modellierungen mit der Hälfte und der doppelten Menge der ermittelten Niederschlagshöhe führten zu keinem guten Ergebnis. Allgemein kann gesagt werden, dass die Informationen aus systematischen Zeugenbefragungen und Foto- bzw. Videodokumentationen Anhaltspunkte liefern, welche eine sinnvolle Nachbildung des Ereignisses in einem Niederschlag-Abfluss-Modell gestatten. Mit der in der Diplomarbeit aufgezeigten Vorgangsweise könnte es unter Umständen auch in anderen kleinen Einzugsgebieten möglich sein, nach Katastrophenereignissen Niederschlag-Abfluss-Beziehungen plausibel herzustellen und so qualitative Aussagen zu ermöglichen.
116.3 (Untersuchungen über Wasserführung in Gewässern und Ufererosion [Unterteilung wenn nötig wie 116.2]) 116.2 (Einsickerung. Wasserabfluss und Wassererosion (experimentelle und theoretische Studien)) [436] (Österreich)