Durch die Vorgaben der WRRL (Art. 4) bzw. des WRG (§ 30c), aufgrund derer der gute Zustand des Grundwassers bis zum Jahr 2015 zu erreichen ist, wird die Abschätzung jenes Zeithorizontes, innerhalb dessen Maßnahmen im Grundwasserkörper messbar werden können, von wesentlicher Bedeutung sein. Bei zahlreichen Trinkwasserversorgungen mit landwirtschaftlich geprägtem Grundwassereinzugsgebiet steht die Nitratproblematik an erster Stelle. Nitrat gelangt durch Versickerung aus intensiv bewirtschafteten Böden oder anderen Quellen in das Grundwasser und ggf. in das Trinkwasser. Eine Abschätzung der mittleren Verweilzeit (MVZ) des Grundwassers bzw. die Erkundung der natürlichen Gegebenheiten der Grundwasserkörper im Hinblick auf ihre Reaktionsgeschwindigkeit bzw. Trägheit ist mit Hilfe des Einsatzes von isotopenhydrologischen Messungen (Sauerstoff-18, Tritium etc.) in Kombination mit hydrogeologischen Untersuchungen möglich, falls nicht weit reichende anthropogene Tritium-Kontaminationen (z. B. aus Deponien, Kläranlagen) vorliegen. Zur besseren Abklärung der Grundwasserprozesse wurde für das Marchfeld ein Kooperationsteam mit der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal (lokale Expertise), der Isotope Hydrology Section IAEA (Isotopenhydrologische Expertise) und dem Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien (Expertise hydrochemische Statistik und Modellierung) gebildet. Die Auswahl der Messstellen im Grundwasserkörper Marchfeld und Traun-Enns-Platte erfolgte nach regionaler Verteilung mit Bevorzugung von Sonden, Vorliegen von Bohrprofilen und Ausbauplänen, größerer Teufen (oberste 5-20 m der gesättigten Zone) und unterschiedlicher Hydrochemie (belastet-unbelastet). Von den für die Bestimmung der Mittleren Verweil-Zeit (MVZ < 50 Jahre) von Wässern in Praxis und Forschung angewandten Methoden wurden die: 1. Variation der Sauerstoff-18-lsotope und 2. Tritium als Routinemessungen sowie Tritium/Helium-3 (3H/3He) und 4. Chlorierter Fluor-Kohlenwasserstoff (CFC) als Sondermethoden angewandt. Hauptziel war es, einen statistisch flächenhaften Überblick über die MVZ im obersten genutzten Grundwasserstockwerk (davon die obersten 0-10 m der gesättigten Zone durch Bepumpung gemischt) zu erlangen. Das ist auch jener Bereich, der auch im Rahmen der Qualitätsüberwachung vorwiegend erfasst wird und der auf allfällige Belastungen am empfindlichsten reagiert. Um aber auch ein Prozessverständnis über die Tiefenverteilung in den obersten 20 Metern der gesättigten Zone zu erhalten, wurden im Sommer 2007 im Marchfeld an fünf Messstellen der Versuch unternommen Proben tiefengestuft zu entnehmen. Diese und nicht tiefengestaffelte Proben von jeweils fünf Messstellen der Parndorfer- und der Traun-Enns-Platte wurden vom Labor der Isotope Hydrology Section (IAEA) auf CFC- und 3H/3He-Gehalte analysiert. Im Grundwasserkörper Marchfeld_wurden von den 75 aktiven GZÜV-Messstellen 35 nach den oben genannten Kriterien ausgewählt. Ungefähr 250 Grundwasserproben wurden im Rahmen der vierteljährlichen GZÜV-Beprobungen gezogen und 55 Proben wurden an den Messstellen der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal im Rahmen deren Qualitätsuntersuchungen durch Bepumpung gewonnen. An 18 Messstellen, von denen Rückstellproben aus dem Jahre 1995 bei der Betriebsgesellschaft vorhanden waren, wurde eine zusätzliche Probenahme im Juni 2006 organisiert, um diese mit rezenten Ergebnissen vergleichen zu können. Die Grundzüge der Geologie des Marchfeldes samt eines geologischen Schnittes wurden im Rahmen einer Diplomarbeit (Mag. F. Wenter) an der Universität Wien dargestellt. Ein Vergleich der Methoden zeigt, dass die mittleren Verweilzeiten (MVZ) aus Tritium-Modellen großteils gleich oder größer sind als die der CFC- und 3H/3He-Messungen, da diese die Verweilzeiten in der ungesättigten Zone wegen fortgesetztem Gasaustausch nicht erfassen. Eine Berechnung der Verweilzeiten an Messstellen mit Tritium-Kontamination oder durch intensive Beeinflussung mit Donau- oder Marchwasser mittels Tritium-Modellalter ist nicht, aber prinzipiell mit CFC- und 3H/3He-Messungen sehr wohl möglich. Zehn Messstellen (29 %) weisen jährliche Tritium-Mittelwerte zwischen 8 und 10 TE (Tritiumeinheiten) auf und haben daher wahrscheinliche MVZ von < 15 Jahren. Bei MessstelIen (57 %) lassen sich MVZ zwischen 15-30 Jahren errechnen. Bei einer Messstelle (3%) ergeben sich MVZ zwischen 30-50 Jahren bzw. bei vier Messstellen (11 %) von > 50 Jahren. Von diesen zehn Messstellen lassen sich drei Messstellen (9 % von allen Messstellen) mit jahreszeitlichen Schwankungen im Sauerstoff-18- und Tritiumgehalt durch Beimengungen signifikanter Anteile (5-20 %) von jüngerem Grundwasser interpretieren und mit Verweilzeiten im Bereich von einigen Jahren (< 7 Jahren) einstufen. Aber es können auch jahreszeitliche Schwankungen im Sauerstoff-18- und Tritiumgehalt durch die Zumischung geringen Anteilen von jungen Wässern zu sehr alten Grundwässern (10-30 oder > 50 Jahre) entstehen (drei Messstellen = 9 %). Die MVZ können aber trotzdem einige Jahrzehnte ergeben. Im Grundwasserkörper Parndorfer Platte wurden alle sechs Messstellen in die Untersuchung einbezogen und daher 24 Grundwasserproben im Rahmen der vierteljährlichen GZÜV-Beprobung entnommen. Von den sechs Messstellen der Parndorfer Platte lassen sich für vier Messstellen (67 %) MVZ zwischen 15-30 Jahren und für zwei Messstellen (33 %) im Osten MVZ > 50 Jahren errechnen. Im Grundwasserkörper Traun-Enns-Platte wurden von 30 aktiven GZÜV-Messstellen 16 nach den eingangs erwähnten Kriterien ausgewählt. 63 Grundwasserproben wurden im Rahmen der vierteljährlichen GZÜV-Beprobung gesammelt. Die Grundzüge der Geologie der Traun-Enns-Platte samt einer geologischen Übersichtskarte wurden im Rahmen eines Werkvertrages (Mag. W. Straka) dargestellt. An neun Messstellen (46 %) ist eine MVZ von < 15 Jahren anzunehmen, an fünf Messstellen (31 %) lassen sich MVZ von 15-30 Jahren und nur an zwei Messstellen (13 %) eine MVZ von > 30 Jahren errechnen. Die vier Quellen der Steiermark wurden anhand erhöhter Nitratwerte ausgewählt, um Erfahrungen über Verweilzeiten von Grundwasser in Quellen zu sammeln. Daher wurden auch hier 17 Grundwasserproben im Rahmen der vierteljährlichen GZÜV-Beprobung entnommen. Erwartungsgemäß ergeben alle vier Quellen MVZ < 15 Jahre. Zwei davon weisen stärkere Variationen in Sauerstoff-18 und in Tritium auf und geringere MVZ von wenigen Jahren (< 7 Jahre) wurden errechnet. Die Nitratgehalte der oberflächennahen Grundwässer zeigen nur im Marchfeld eine positive Beziehung zu 18 O-Werten, was wahrscheinlich mit der stärkeren Infiltration von Sommerniederschlägen in sandigen Böden und/oder durch Evaporation angereicherten Beregnungswässern zusammenhängt. Die Nitratgehalte zeigen jedoch keine eindeutig erkennbare Beziehung zu den MVZ, was auch mit den regional unterschiedlichen ausgebildeten Bodenarten und der variablen Intensität der Landwirtschaft zusammenhängen dürfte. Aus den errechneten MVZ ist klar, dass besonders in den untersuchten Porengrundwassergebieten aktuell getroffene Maßnahmen zur Minderung von Grundwasserbelastungen in den meisten Messstellen nicht in einigen Jahren, sondern z. B. für das Marchfeld frühestens in 10-15 Jahren ihre allgemeine Wirkung zeigen können. Auch wenn die Anzahl der Messstellen nicht für alle Grundwasserkörper eine repräsentative Aussage zulässt (siehe nur 6 Messstellen der Grundwasserkörper Parndorfer Platte) und einzelne Messstellen stark variieren können, ist doch die generelle Abnahme der MVZ in der Parndorfer Platte, über das Marchfeld und die Traun-Enns-Platte zu den vier steirischen Quellen (Median der Messstellen: 21, 19,13,5 und 7 Jahre) hin auch hydrogeologisch gut nachvollziehbar. Auf jeden Fall eriaubt die Kombination von Sauerstoff-18-, Tritium-, 3H/3He- und CFC-Messungen an einer repräsentativen Zahl von Messstellen die MVZ im obersten Stockwerk eines Grundwasserkörpers zu bestimmen, um die Reaktionszeit für den Erfolg für bestimmte emissionsmindernde Maßnahmen hinreichend genau abschätzen zu können.