Standardsignatur
Titel
EU-Haushaltsreform und Agrarbudget - nationale Kofinanzierung als Lösungsansatz ?
Verfasser
Körperschaft
Universität für Bodenkultur. Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Universität für Bodenkultur. Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
Erscheinungsort
Wien
Verlag
Erscheinungsjahr
2007
Seiten
21 S.
Illustrationen
4 Abb., 1 Tab., 21 Lit. Ang.
Material
Bandaufführung
Datensatznummer
142729
Quelle
Abstract
Das Thema Kofinanzierung stellt in der agrarpolitischen Diskussion einen sehr diffizilen Bereich dar. Zum einen, weil verschiedene Ebenen der europäischen Entscheidungskompetenz berührt werden, zum anderen, weil über die Mitgliedsländer hinweg die Positionen dazu - meist in Abhängigkeit vom jeweiligen Nettozahlerstatus - stark differieren. Als Pro-Argumente für eine Umschichtung der Direktzahlungen in die 2. Säule finden sich in der aktuellen Diskussion folgende Positionen: Die derzeitigen Direktzahlungen seien einkommenspolitisch nicht argumentierbar, weil wohlhabende Regionen und größere Betriebe überproportional profitieren, die Transfereffizienz gering sei, der Vertrauensschutz nach 15 Jahren MacSharry-Reform als ausgelaufen betrachtet werden könnte und diese Zahlungen als eine "sektorale EinkommensPolitik auf EU-Ebene" völlig fehlkonzipiert seien. Diese Direktzahlungen seien auch umweltpolitisch schwach legitimiert, weil die angewendeten Cross Compliance-Regelung problematisch sei, indem sie hohe Mitnahmeeffekte und geringe Effizienz bewirke; die Entlohnung für freiwillige Umweltleistungen gehöre grundsätzlich in die 2. Säule. Seit der Entkoppelung sei es egal, woher die Mittel kommen, daher würde auch eine (verstärkte) nationale Finanzierung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würden. Bereits die Luxemburger Beschlüsse haben wesentliche Elemente in Richtung Renationalisierung mit sich gebracht - man denke an den nationalen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung - und damit ergibt sich aus der Theorie des Fiskalföderalismus die Forderung, auch die Finanzierungsseite an die Ebene der Entscheidungsfindung heranzuführen. Diesen Beweggründen für eine Umschichtung der Direktzahlungen steht jedoch auch eine Reihe von Kontra-Argumenten gegenüber, die eine Beibehaltung der derzeitigen EU Finanzierung befürworten: In der ersten Säule könnte ein ausschließlich gemeinschaftsfinanzierter Prämien-Grundsockel die Bereitstellung EU-weit relevanter öffentlicher Güter absichern, etwa klimaschutzrelevante landwirtschaftliche Aktivitäten oder die Etablierung von HCCP-Standards, andererseits aber auch durch die Abgeltung von regional unterschiedlichen Bewirtschaftungserschwernissen legitimiert werden. Eine Kofinanzierung der ersten Säule berge die Gefahr einer zunehmenden Renationalisierung der Agrarpolitik, der auch durch die Beibehaltung der Entscheidungshoheit auf EU-Ebene über Prämienhöhe, Auszahlungskriterien und eine obligatorische nationale Finanzierungsanteile nicht ausreichend begegnet werden könne. Es bestehen auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine obligatorische Kofinanzierung, weil die EU derzeit keinen formellen Zugriff auf nationale Haushalte habe. Eine fakultative Kofinanzierung könnte nicht zuletzt zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen reichen und armen Mitgliedsländern führen, weil bereits jetzt deren Mittelverfügbarkeit nicht immer ausreiche, das angebotene Kofinanzierungsvolumen auf der EU-Ebene auszuschöpfen. Eine interessante Eigenheit dieser Debatte ergibt sich daraus, dass die wissenschaftlichen Argumente überwiegend in Richtung einer Umschichtung der derzeitigen Direktzahlungen von der ersten in die zweite Säule weisen (Pitlik, 2006), wogegen in der agrarpolitischen Diskussion eine starke Befürwortung in Richtung einer Bewahrung des Status Quo zu beobachten ist. Dies zeigt sich indirekt nicht zuletzt auch am Beispiel der für den derzeitigen Finanzrahmen erfolgten Festlegungen zur Kürzung der zweiten Säule. Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der ersten Säule - Beibehaltung, Kofinanzierung oder UmSchichtung - wird letztendlich nicht auf der Basis objektiver Fakten, sondern in einem politischen Interessenabgleich getroffen werden. Dabei werden die Machtverhältnisse zwischen Nettozahlern und -empfängern genauso von Bedeutung sein wie die politischen Gewichte der agrarischen gegenüber den außeragrarischen Interessen. Die noch nicht ausdiskutierten Grundzüge der geplanten Haushaltsreform (siehe Grybauskaite, 2007) werden dabei von elementarer Bedeutung sein. Nicht übersehen werden sollte auch der Umstand, dass dabei den Erwartungen über die Richtung der mittelfiistigen Entwicklung der agrarischen (Welt)Marktpreise eine ungewohnte, sicher aber einflussreiche Rolle zukommen wird.