Naturschutz und Armutsbekämpfung haben spezifische Aufgabenbereiche und Ziele. Der Naturschutz will den Schutz von Wildnis, die Erhaltung natürlicher Landschaften durch Schutzgebiete, den Schutz bedrohter Arten, wenn nötig auch restriktiv, die Vernetzung von intakten Naturräumen usw., die Armutsbekämpfung hingegen zielt ab auf verbesserte Nahrungsversorgung, medizinische Infrastruktur, AIDS-Vorsorge, Alphabetisierung, städtische Armut usw. Hieraus resultieren gleich mehrere Zielkonflikte: Naturschutz geht nicht ohne Restriktionen, doch Armut zwingt zur Nutzung, Naturschutz ist auf Langfristigkeit ausgerichtet, Armut muss aber sofort gelindert werden, Naturschutz geht planvoll vor, Armut zwingt jedoch zu Improvisation und Spontaneität, und Naturschutz anerkennt auch den intrinsischen Wert von Naturgütern, Armut hingegen führt dazu, primär oder ausschließlich Nutzwerte zu sehen. Angesichts der dramatisch anwachsenden Armut einerseits und des Klimawandels und katastrophalen Verlustes an Biodiversität andererseits stellen sich also (perspektivenbedingt!) zwei Kernfragen: Wie lässt sich Naturschutz durchsetzen angesichts armutsbedingter Nutzungsansprüche/-zwänge? Wie lässt sich (auch kurzfristig) Armut lindern und dennoch der Schutz natürlicher Ressourcen realisieren?
Die Antwort ergibt sich aus der zentralen Erkenntnis, dass Armutsbekämpfung nur dann anhaltende Erfolge zeitigen kann, wenn sie die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung des Klimas zur Grundlage hat, denn darauf basieren letztendlich die menschlichen Kulturen, Sozialsysteme und alles Wirtschaften. In Gebieten, in denen die Bevölkerung von Subsistenzwirtschaft lebt, also insbesondere in den Entwicklungsländern des Südens, tritt die fundamentale Bedeutung von biologischer Vielfalt und Klima nur unmittelbarer und klarer zutage als in den Industrienationen, welche negative Effekte von Klimaveränderungen und Biodiversitätsverlust (bisher) durch technologische, finanzielle und handelspolitische Mittel abpuffern oder überbrücken konnten. Die Degradierung der natürlichen Ressourcen ist sowohl Ursache als auch Folge von Armut. Im Schutz von Klima und natürlichen Ressourcen liegen also sich deckende Zielsetzungen von Armutsbekämpfung und Naturschutz. Die Überschneidungsbereiche bzw. gemeinsame
Aufgabenstellungen und Instrumente bestehen in Regionalentwicklung und Landnutzungsplanung, Partizipation, Einrichtung von Indigenen-Territorien und Agroforstsystemen, Wildtierbewirtschaftung, ökologischem Landbau usw. Durch Kooperation lassen sich somit zahlreiche Synergien schaffen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Institutionen der Armutsbekämpfung/Entwicklungshilfe die Bedeutung der Erhaltung von biologischer Vielfalt und anderer Naturschutz-Ziele für die eigene Arbeit erkennen und berücksichtigen, und dass Naturschutzbehörden und -organisationen ihre Konzepte und Maßnahmen im Bewusstsein um deren entwicklungspolitische Dimensionen und Wirkungen entwickeln und umsetzen.