Das Ein-Gen-Ein-Protein-Paradigma, das sich in den fünfziger Jahren nach Aufklärung der Struktur der DNA etablierte, muss nach zahlreichen Ergebnissen der Grundlagenforschung als überholt gelten. Das Genom ist wesentlich komplexer und flexibler aufgebaut; Informationsflüsse verlaufen vernetzt und auch in unterschiedliche Richtungen. Bezogen auf gentechnische Arbeiten bedeuten diese Erkenntnisse, dass durch das Einbringen von Genkonstrukten in ein vorhandenes Genom eines Organismus nicht nur die gewünschte Veränderung herbeigeführt wird, sondern dass damit auch in genregulatorische Vorgänge und Strukturen eingegriffen wird. Unbeabsichtigte Effekte der gentechnischen Veränderung können dann die Folge sein. Bislang gibt es keine detaillierte Zusammenstellung und Bewertung der verschiedenen unbeabsichtigten Effekte bei gentechnischen Veränderungen in Pflanzen. Das Gutachten setzt bei der Zusammenfassung epigenetischer Effekte bei transgenen Pflanzen an. Damit sind unbeabsichtigte Effekte, die über ungewollte Veränderungen auf genetischer Ebene, wie etwa multiple Insertionen, Umordnungen, Deletionen, Füll-DNA etc. hinausgehen, gemeint. Epigenetische Effekte, die bisher bei transgenen Pflanzen beobachtet wurden, lassen sich in Gene Silencing, also eine Stilllegung des Transgens, Positionseffekte und pleiotrope Effekte einteilen. Ergebnisse zu Positionseffekten betreffen die Höhe und Stabilität der Transgenexpression, zeigen aber auch, dass Transgene mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in aktive oder regulatorisch bedeutsame Regionen des pflanzlichen Genoms inserieren. Pleiotrope Effekte beziehen sich auf alle möglichen unbeabsichtigten Veränderungen auf morphologischer und physiologischer Ebene. Oft äußern sie sich auch in einer veränderten Zusammensetzung der Inhaltstoffe. Grundsätzlich zeigt sich hier das Problem, dass pleiotrope Effekte sehr unterschiedlich bewertet werden. Insbesondere die Erkennung von pleiotropen Effekten stellt eine Herausforderung für die Risikobewertung dar. Als mögliche Hilfe gelten die sogenannten Omics-Technologien, die eine nicht-zielgerichtete Analyse der transkribierten DNA, der Proteine und der Inhaltstoffe erlauben sollen. Das Gutachten diskutiert den Stand der Wissenschaft und Technik der Omics-Technologien.