Im geomorphologisch bisher sehr wenig untersuchten Iselgebiet kann aufgrund der komplexen Betrachtung aller größeren Nebentäler (Virgental, Degereggental, Kalsertal) erstmals ein Bild von der spätglazialen Gesamtvergletscherung dieses Raumes im Steinach-Stadium entworfen werden. Die stadialen Gletscherausdehnungen werden über entsprechende Moränen oder, wo diese wie im Iseltal fehlen, über fluvioglaziale Eisstausedimente ermittelt. Demzufolge stießen die großen Talgletscher der Nebentäler im Steinach-Stadium letztmalig bis ins Iseltal vor. Das Zungenende des Iselgletschers kann noch nicht genau lokalisiert werden, lag aber talabwärts der Mündungen von Defereggental und Kalsertal. Wie eine fossile Braunerde im Unterlauf des Kalsertales zeigt, setzte im Steinach/Gschnitz-Interstadial bereits Bodenbildung ein. Die gschnitzzeitliche Gletscherausdehnung beschränkt sich auf die Nebentäler. Nur noch Lokalgletscher stoßen bis in die Unterläufe von Virgen-, Degereggen- und Kalsertal vor, wobei im Virgental gerade noch die Talweitung bei Matrei erreicht wird. Ein jüngerer, durch Endmoränen markierter Gletscherstand, ist durch die Moränen im Kalsertal repäsentiert und vermutlich dem Senders-Stadium zuzuordnen. Daunzeitliche Moränen sind in den großen Tallandschaften nur im Virgental bei Prägraten anzutreffen. Außer den steinachzeitlichen Eisstauseesedimenten im unteren Kalsertal, sind im gesamten Iselgebiet verschiedene fluviale Terrassen- und Schwemmfächergenerationen zu unterscheiden. Die Akkumulation der beiden ältesten Terrassen ist durch morphologische und sedimentologische Verknüpfung mit spätglazialen Moränen und Bergstürzen dem Gschnitz (ST1) und der Senders/Daun-Phase (ST2) zuzuordnen. Für die nächst jüngere Terrasse gibt es keine morphologischen Befunde zur Altersstellung. Da im ganzen Iselgebiet auf den Terrassen charakteristische Bodenabfolgen auftreten, die in Abhängigkeit vom Alter regelhaft entwickelt worden sind, ist die der ST2 folgende Akkumulationsphase ebenfalls ins Spätglazial einzuordnen und mit großer Wahrscheinlichkeit egesenzeitlich (ST3). Die stadiale Akkumulation auf den Talböden kann durch die Verzahnung von Hangsedimenten (meist fluviale) und Terrassenmaterial belegt werden. Sie ist eine Frage der starken Morphodynamik an den Hängen, die von mehr flächenhaftem Abtrag im älteren Spätglazial, zu mehr linienhaftem Abtrag im jüngeren Spätglazial wechselte. Dadurch kam es zu einer hohen Materialbelastung der Gerinne, mit der Auslösung entsprechender akkumulativer Prozesse. Ursache des intensiven stadialen Hangabtrags ist eine allgemeine Depression der Höhenstufen, vor allem der Vegetationsgrenzen (Wald- und Rasengrenze) und der periglazialen Höhenstufe, woraus eine verstärkte kryoklastische Aufbereitung des Gesteinsmaterials, intensive Solifluktion und vor allem Spülprozesse resultieren. Trotz insgesamt ansteigender Waldgrenze im Verlaufe des Spätglazials bis auf etwa 2000 mNN im Egesen-Stadium, behält der Hangabtrag in der periglazialen Höhenstufe, durch die Materiallieferung in die Gerinne, die steuernde Funktion über Akkumulation oder Erosion auf den Talböden. Dies zeichnet sich sogar auch für das Postglazial ab. Das Maximum der spätglazialen Akkumulation auf den Talböden erfolgte jeweils mit dem Eisfreiwerden am Ende eines Stadials, als die unbewachsenen, labilen Hänge mit großen Mengen von Moränen- und Frostschuttmaterial bedeckt waren. Der Anstieg der Höhenstufen in den Interstadialen, mit weitgehender Hangstabilität, löste eine Zerschneidung der Talböden und Eintiefung der Gerinne aus. Je nach den lokalen Reliefverhältnissen, dem Gefällte der Vorfluter, dem vergletscherten Anteil der Einzugsgebiete etc., gibt es auch Talabschnitte, in denen seit dem Eisfreiwerden im Spätglazial im wesentlichen immer nur akkumuliert bzw. erodiert wurde. Akkumulationsstandorte sind, wie am Beispiel des Raseckbaches im Kalsertal gezeigt wurde, über fossile Böden zu gliedern. Wo immer die Reliefverhältnisse und die Wasserführung der Gerinne es zulassen, bedingt das meist starke Gefälle der Vorfluter bei stabilen Hängen in den Interstadialen eine potentielle Eintiefungstendenz, die durch den Aufbau des Untergrundes, mit in der Regel mächtigen Lockergesteinsmassen, noch erleichtert wird. Die steilen, oft mehrere hundert Meter hohen Talwände liefern dagegen bei den entsprechenden Klimaverhältnissen der Stadiale große Mengen an Material, wodurch die Vorfluter überlastet werden und akkumulieren. Die extremen Reliefverhältnisse der Alpen führen so zu einem Bild der spätglazialen fluvialen Entwicklung, das sich von dem aus dem Alpenvorland unterscheidet. Anders als bei der "Fluvioglazialen Serie" von Troll (1957, 1977) kommt es in den Zentralalpen bei beginnendem Gletscherabbau am Ende eines Stadials nicht zu einer Eintiefung der Vorfluter ("Trompetentälchen"), sondern im Gegenteil zu einer Erhöhung des Talbodens.