34 Jahre nach der Rückkehr des ersten Bären in die Nördlichen Kalkalpen und 17 Jahre nach der Umsiedlung der ersten Bärin, kann die Bärenpopulation in Österreich keinesfalls als gesichert gelten. Daten aus dem Monitoring der Bärenanwälte lassen darauf schließen, dass die Populationsgröße und -verbreitung seit Mitte der 90er Jahre bestenfalls stabil geblieben ist. Im zweiten LIFE-Projekt zu den Bären in Österreich wurde eine Reihe von Untersuchungen initiiert, deren Ergebnisse in der vorliegenden Studie dargestellt werden sollen. Der Bärenbestand in Österreich verteilt sich weiterhin auf zwei voneinander getrennte Populationskerne in der Grenzregion Steiermark, Niederösterreich und Oberösterreich (Nördliche Kalkalpen) und in Kärnten entlang der Grenze zu Slowenien und Italien. Die Bestandsschätzung für Kärnten ist seit 2001 stabil bei 5-8 Bären. In den Nördlichen Kalkalpen ist die Anzahl der Sichtbeobachtungen seit einigen Jahren leicht rückläufig, die Schätzung von 15-20 Bären aus dem Jahr 2001 muss mittlerweile auf 7-12 Tiere revidiert werden. Das Ausmaß der kompensierten Schäden liegt in den letzten 10 Jahren bei durchschnittlich € 8.700 pro Jahr. Die Schäden betreffen in den Nördlichen Kalkalpen hauptsächlich Rapsöl und Bienenstöcke, in Kärnten hauptsächlich Schafe. Zur Untersuchung der Populationsstruktur und der Bestandsgröße wurden zwischen 2000 und 2005 in den Nördlichen Kalkalpen Haar- und Losungsproben gesammelt und zusammen mit früheren Proben im Naturhistorischen Museum Wien genetisch untersucht. Insgesamt wurden 24 verschiedene Individuen nachgewiesen. Allerdings konnten aus aktuellen Proben nur maximal acht Bären pro Jahr identifiziert werden, 2005 sogar nur fünf. Die aktuelle Bärenpopulation gründet auf drei Tieren, die meisten Jungtiere haben das Männchen Djuro zum Vater. Entsprechend musste auch ein Verlust an genetischer Variabilität festgestellt werden. Auf Grundlage der aktuellen Bärendaten wurde ein neues hoch aufgelöstes Habitatmodell berechnet, in dem Faktoren wie Habitatzerschneidung, Tourismus und Beeinflussungen durch Siedlungen und Straßen berücksichtigt werden. Das Modell weist 20.000 km¬ als Kernlebensraum und weitere 25.000 km¬ als Lebensraum aus. Große zusammenhängende Flächen finden sich vor allem in den Nördlichen Kalkalpen, den Niederen und Hohen Tauern, den Karnischen Alpen sowie Kor- und Gleinalpe, aber auch im Karwendel und rund um den Arlberg. Eine detaillierte Untersuchung der Habitatvernetzung im österreichischen Alpenraum zeigt, dass 11,7 % des höherrangigen Straßennetzes für Bären querbar sind. In weiteren Bereichen wäre die Straße kein unüberwindbares Hindernis, jedoch fehlt eine ausreichende Anbindung an den umliegenden Lebensraum. Besonders große Barrierewirkung haben die Mur-Mürz-Furche, das Salzach-, Drau- und Inn-Tal. In diesen Tallagen konnten keine gut geeigneten Querungsmöglichkeiten für Bären dokumentiert werden. Zur Erhaltung der internationalen Wanderkorridore für Großsäuger wurden potentielle Standorte für Grünbrücken an Autobahnen identifiziert und priorisiert. Standorte, die für die Lebensraumvernetzung der Bären wesentliche Bedeutung haben, liegen in erster Linie an der S6 im Mürztal bzw. an der S36 im Murtal, an der A12 im Bereich des Brenners und an der A3 als Verbindung zwischen den Alpen und den Karpaten. Ein günstiger Erhaltungszustand ist das Ziel für die in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU genannten Arten. Nach den aktuellen Vorgaben der EU-Kommission wurde eine Beurteilung des Erhaltungszustands für Braunbären in Österreich vorgenommen. Obwohl genügend Lebensraum zur Verfügung steht, muss der Erhaltungszustand derzeit aufgrund der geringen Individuenzahl als "ungünstig-schlecht" eingestuft werden.