In den letzten Jahren hat der wissenschaftliche Fortschritt auf dem Gebiet der automatisierten inhaltlichen Analyse akustischer Signale für die Erschließung zahlreicher Anwendungsfelder gesorgt. Nicht zuletzt wurde diese Entwicklung begünstigt durch Fortschritte auf dem Hardwaresektor, so dass bestimmte Aufgaben wie Echtzeitmonitoring, Archivierung und Suche in großen Datenbeständen erst effizient möglich wurden. Für den Bereich Bioakustik sind neben der klassischen Signalverarbeitung und der Mustererkennung insbesondere neuere Fortschritte auf den Gebieten der Sprach- und Musiksignalverarbeitung sehr interessant. So ermöglichen neue Technologien eine automatische Melodieerkennung oder die automatische Identifikation von Audiosignalen. Attraktive Anwendungsfelder im Bereich Bioakustik sind zum Beispiel die automatische Tierstimmenerkennung (Arten- oder Individuenerkennung) und automatisiertes akustisches Monitoring. Vor diesem Hintergrund fand, initiiert durch eine gemeinsame Initiative des Bundesamts für Naturschutz (BfN) und des Instituts für Informatik der Universität Bonn, am 8. Juni 2004 ein erster nationaler Workshop zum Thema Bioakustische Mustererkennung in den Räumen des BfN in Bonn statt. Das Ziel dieses Workshop war es, aktuelle Aktivitäten in den Bereichen Bioakustik, bioakustisches Monitoring und akustische Informationsverarbeitung (Sprach- und Audiosignalverarbeitung, Music Information Retrieval) zu bündeln und Potenziale für die Nutzung dieser technologischen Ansätze in unterschiedlichen Disziplinen u.a. dem Natur- und Artenschutz und der biologischen Vielfalt, aufzuzeigen. Die thematische Breite der hier involvierten Fachgebiete spiegelt sich in der Expertise der teilnehmenden Spezialisten aus den Bereichen Biologie, Naturschutz, Informatik, (Geo-)Mathematik und Signalverarbeitung wider. Die in den Vorträgen vorgestellten Beiträge sind in der hier vorliegenden Publikation in ausgearbeiteter Form zusammengestellt. Sie spannen thematisch einen Bogen im Bereich der bioakustischen Grundlagenforschung ausgehend, über einen Erfahrungsbericht zum Einsatz automatisierter Methoden zur Registration von Tierstimmen, bis hin zur weiteren Verwertung der erfassten Daten mit Hilfe einer Informationsinfrastruktur zur netzbasierten Forschungskooperation für bioakustische Daten. In einem innovativen Gebiet kommt dem Grundlagenbereich naturgemäß eine wesentliche Rolle zu. Es verwundert also nicht, dass die vorliegenden Beiträge im Schwerpunkt aus diesem Bereich entstammen. In einem Vortrag zum Thema Computer-Ornithologie - Multiskalen-Methoden und Künstliche Intelligenz in der Anwendung (TU Kaiserslauten, die Ausarbeitung dieses Vortrags steht leider nicht zur Verfügung) wurde über erste Erfahrungen zur Verwendung der in Signalverarbeitung und Mathematik in den vergangenen Jahren sehr populär gewordenen Wavelettransformation zur automatischen Erkennung von Vogelstimmen berichtet. Die Wavelettransformation erlaubt insbesondere eine frequenzadaptive und somit auf bestimmte Charakteristika von Vogelstimmen abstimmbare Signalanalyse. In diesem Beitrag werden aufbauend auf der Waveletanalyse neuronale Netze eingesetzt, um eingehende Einzelgesänge von 32 Vogelarten automatisch nach der Artzugehörigkeit zu klassifizieren. Der Beitrag Klassifizierung von Vogellauten mittels Neuronaler Netze (TU Kaiserslauten) stellt ebenfalls ein Verfahren zur Identifikation von Vogelarten anhand gegebener Rufe vor. Im Gegensatz zu letzterem Ansatz findet die initiale Signalanalyse der vorliegenden Rufe allerdings mit klassischen (Fourier-)Methoden statt. Die Identifikation der Rufe geschieht auch hier durch eine geeignete Kombination der Ausgaben von neuronalen Netzen (MLPs). Neuronale Netze wurden bereits an anderer Stelle erfolgreich zur Klassifikation von Tierstimmen eingesetzt. Der Beitrag Künstliche neuronale Netze für die Erkennung von Orthopterengesängen (Universität Ulm) berichtet hier über entsprechende automatische Methoden, mit deren Hilfe es möglich ist, 53 Arten von Grillen und Laubheuschrecken mit hoher Erkennungsrate zu klassifizieren. Die durchgeführten Untersuchungen stützen sich dabei auf Datenmaterial, das innerhalb des DORSA-Projekts zur Erstellung einer Individuendatenbank für deutsche Orthopteren-Sammlungen zur Verfügung steht. Im Gegensatz zum Bioakustikbereich hat sich im Gebiet der Musik- und Audioverarbeitung seit nunmehr ungefähr sieben Jahren die Disziplin des Music Information Retrieval entwickelt, die sich im Schwerpunkt mit Fragen im Umfeld der Teilgebiete Suche, Retrieval, Erkennung und Klassifikation beschäftigt. Der Beitrag Algorithmen zur Konstellationssuche in der bioakustischen Mustererkennung (Universität Bonn) skizziert erste Ansätze, wie hier erzielte neuere Forschungsergebnisse im Bereich der Konstellationssuche in der Bioakustik adaptiert werden könnten. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten computerunterstützter bioakustischer Verfahren werden im Beitrag Erfahrungen mit der automatischen Registration von Tierstimmen (HU Berlin) anhand zweier in realen Umgebungen durchgeführter Projekte erörtert. Der Beitrag stellt hier unterschiedliche Herangehensweisen an Monitoringszenarien vor, vergleicht verfügbare Softwarepakete und untersucht in praktischen Szenarien auftretende Problemquellen sowie mögliche Lösungsansätze. Die beim umfassenden bioakustischen Monitoring anfallenden Datenmengen sind beträchtlich. Einerseits bietet heutzutage verfügbare Computerhardware hier zwar hinreichend große Speicherkapazitäten. Andererseits führt eine unorganisierte und insbesondere unannotierte Datenarchivierung dazu, dass erfasse Daten unzugänglich und somit unbrauchbar sind. Trotz seitens einiger Tierstimmenarchive begonnener Digitalisierungsbestrebungen gibt es hier zurzeit keine allgemein verfügbaren Informationssysteme, die die wissenschaftliche Kooperation im Bereich der Bioakustik unter Einbeziehung multimedialer Aspekte ermöglichen. Im Beitrag Informationsinfrastrukturen in der Bioakustik (HU Berlin/Uni Bonn) wird ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Kooperationsprojekt vorgestellt, dessen Ziel der Aufbau einer internetbasierten Informationsinfrastruktur zur Forschungskooperation im Bereich Bioakustik ist. In der anschließenden Diskussion wurde ein breiter Konsens darüber erzielt, dass insbesondere eine mögliche Kombination der vorgestellten Resultate aus dem Bereich der Grundlagenforschung vielversprechend erscheint. Dies wurde gemeinhin durch die Komplementarität der vorgestellten Ansätze zur Signalanalyse, Klassifikation und Konstellationssuche begründet. Die Möglichkeit für zukünftigere gemeinsame Initiativen der unterschiedlichen vertretenen Institutionen, etwa in Form von Kooperationsprojekten oder weiteren gemeinsamen Workshops wurde dabei grundsätzlich begrüßt. Aus Anwendersicht und hier insbesondere aus Sicht des Natur- und Artenschutzes wurde die wichtige Fragestellung diskutiert, in wieweit die erzielten Resultate aus der Grundlagenforschung bereits Anforderungen an ein reales bioakustisches Monitoring erfüllen können. Im Zuge der Diskussion zeigte sich hier die grundlegende Schwierigkeit, überhaupt universelle Monitoringaufgaben spezifizieren zu können. So gibt es beispielsweise aus der Sicht des Natur- und Artenschutzes nicht etwa klar definierte Monitoringanforderungen, sondern bestimmte zu erfüllende Berichtspflichten. Aus Sicht der vertretenen Wissenschaftler kam wiederholt die Frage nach einer, wenn möglich hierarchisch nach geeigneten Gesichtspunkten angeordneten Auflistung der unterschiedlichen Aufgabenstellung im bioakustischen Monitoring. Es wurde von mehreren Seiten betont, dass ein Monitoring momentan zwar nur eingeschränt möglich, hier aber für einige Aufgabenstellungen sehr hilfreich sein kann. Einsatzmöglichkeiten wurden bei der gezielten Suche nach seltenen Arten, der Erfassung nachtaktiver Tiere oder unterstützend im Bereich des klassischen, z.B. Punkt-Stopp-basierten, Monitorings gesehen. Zukünftige Forschungsaktivitäten im Bereich des automatisierten bioakustischen Monitorings und allgemeiner der bioakustischen Mustererkennung wurden allgemein als sehr wichtig erkannt. Hierbei kam es den Teilnehmerns insbesondere darauf an, keine überzogenen Anforderungen an die zu entwickelnden Verfahren zu stellen, zumals auch den menschlichen Fähigkeiten auf diesem Bereich oft deutlich Grenzen gesetzt sind. Es wurde weiterhin aus Bestandssicht als wichtig erachtet, trotz noch nicht fortgeschrittener Technologie zur bioakustischen Mustererkennung eine ausgedehnte automatisierte Erfassung bereits während der Phase der Technologieentwicklung einzusetzen. Hier wurde insbesondere die Bedeutung eines auf Leitarten ausgerichtetes Langzeitmonitoring hervorgehoben. Insgesamt hat der Workshop gezeigt, dass eine kritische Masse zur interdisziplinären wissenschaftlichen Zusammenarbeit aus den vertretenen biologischen und informations-technischen Disziplinen in Deutschland sicher gegeben ist. Verwandte internationale Aktivitäten insbesondere in den USA deuten an, dass die bioakustische Mustererkennung, ähnlich wie vor einigen Jahren das Gebiet des Music Information Retrieval, zu den momentan aufstrebenden Wissenschaftszweigen gehört. In der Perspektive können auf Mustererkennung beruhende Systeme einer bioakustischen Bestandserfassung von Tierarten wesentlich dazu beitragen, den aus internationalen Verpflichtungen resultierenden Erfordernissen eines Umweltmonitorings gerecht zu werden. Die Vorteile der Methodik bestehen in ihrer Effizienz, Objektivität, Überprüfbarkeit und langjähriger Konstanz. Eine gezielte Forschung sowohl auf dem Gebiet der Mustererkennung, Erstellung von Referenzbibliotheken als auch der Optimierung des Signalerfassung sollte einen Einsatz im Rahmen der Monitoringprogramme des Bundes und der Länder vorbereiten.