Seit 1978 gibt es in Bayern die Schutzkategorie Naturwaldreservate. In diesen Flächen unterbleibt jegliche Holznutzung, so dass sich allmählich wieder Strukturen von Urwäldern entwickeln können. Nachdem echte Urwälder in Deutschland fehlen, sind diese Reservate wichtige Referenzflächen für alle Waldökosystemforschungen. Aus diesem Forschungsbereich liefert der vorliegende Band aktuelle Informationen und setzt inhaltlich die Reihe Naturwaldreservate in BayernŃ fort. Die Beiträge entsprechen den Vorträgen der Fachtagung zum 25jährigen Jubiläum am 27. November 2003 an der LWF. Einleitend stellt WALTER KEITEL ein Verfahren vor, mit dessen Hilfe der Nutzungsverzicht bei der Ausweisung eines Naturwaldreservats bewertet wird. Dabei werden zwei Varianten dargestellt, eine Bewertung über 10 und eine über 30 Jahre. Anhand von neun repräsentativen Reservaten mit völlig unterschiedlichen Wuchsbedingungen werden die Ergebnisse der Bewertung vorgestellt. Während in ehemaligen Mittelwäldern, schwachwüchsigen Kiefernbeständen und Hochgebirgsreservaten der Nutzungsverzicht mehr oder weniger keinen Verlust darstellt, sind die Einnahmeverluste auf hochproduktiven Standorten mit Fichte oder Furniereichen am höchsten. PETER MEYER verdeutlicht, wie anhand von Luftbildern die Veränderung von Bestandeslükken über einen Zeitraum von 20 Jahren untersucht werden kann. Seine Ergebnisse zeigen, dass Lücken in Buchenwäldern eher kleinflächig entstehen und somit in Buchenurwäldern eine hohe Ungleichaltrigkeit verursachen. Viele der Lücken schließen sich auf Grund des mittleren Alters der untersuchten Naturwaldreservate relativ schnell wieder. Daher sind Optimalphasen häufig gleichaltrig. Der Referent empfiehlt, Altbäume und Totholz zu belassen, um die strukturelle Vielfalt zu erhöhen. ALEXANDER SCHNELL berichtet über die Veränderung der Waldstruktur im Totengraben, einem der wenigen kleinen Urwaldrelikte Bayerns. Aktuelle Aufnahmen werden mit Daten von 1955 verglichen. Die Struktur hat sich in diesem Zeitraum von einer Plenter- zur Altersphase entwickelt. Auffällig sind die hohen Totholzvorräte, die ihre Funktion für eine Rannenverjüngung der Fichte beweisen. JÖRG MÜLLER zeigt am Beispiel von Vogelgemeinschaften in Laubwaldreservaten, wie sowohl die Analyse der Gesamtzönose als auch einzelner Arten wichtige Aufschlüsse über den Naturnähegrad und das Auftreten von naturnahen Strukturen liefern. Naturwaldreservate mit hohen Anteilen alter oder großkroniger Eichen können bereits heute ähnliche Zönosen aufweisen wie vergleichbare Urwälder Osteuropas. Die Mollusken in Naturwaldreservaten werden seit längerem untersucht und haben sich als hervorragende Weiser für Totholz, Waldtradition und Standort erwiesen. Dies zeigt CHRISTIAN STRÄTZ am Beispiel aller Naturwaldreservate Oberfrankens. Dabei wird die hohe Bedeutung der Reservate sowohl für die Vielfalt als auch besonders gefährdete Schneckenarten deutlich. Im Vergleich zu Fichtenwirtschaftswäldern treten in Naturwaldreservaten etwa zehnmal soviele Arten auf. Dass der harmonische Einklang von Ökonomie und Ökologie kein Märchen sein muss, stellen HEINZ BUßLER und HARALD LOY am neu ausgewiesenen Naturwaldreservat Eichhall im Hochspessart vor. In diesem Furniereichenbestand und zwei Schutzgebieten in der Nähe (Metzger und Rohrberg) treten seltene Urwaldreliktarten neben wertvollen Furnierbäumen auf. Der Vergleich mit entsprechenden Beständen im Wirtschaftswald macht die Ursachen für diese Vielfalt deutlich: Entscheidend ist das Angebot an reichhaltigen Strukturen. ULRICH SIMON berichtet über die vergleichende Untersuchung der Käfer in Mittelwäldern, Eichenmischwäldern und Naturwaldreservaten vom Boden bis in die Krone. Er macht deutlich, wie wichtig es für das Gesamtverständnis des Waldes ist, die Baumkrone zu erfassen. Seine Analysen zeigen, welche Bedeutung dem Lichtigkeitsgradient im Eichenwald für die Biodiversität zukommt. Daneben unterstreicht er die Bedeutung der Naturwaldreservate als Referenz, relativiert diese aber auch aufgrund ihrer Entwicklungsgeschichte und ihrem geringen Alter.