Die Schweizerische Meteorologische Anstalt (SMA) betreibt zwei Wetterradars, die alle 10 Minuten eine gesamtschweizerische Darstellung der Niederschlagsverteilung in digitaler Form liefern. Die erfassten Radardaten bilden eine wichtige Grundlage für die Kurzfristprognose. Im Rahmen des bestehenden rneteorologischen Informationssystems der SMA konzentriert sich der Einsatz von Radardaten vor allem auf die Darstellung von Bildprodukten in Form von Animationen. Allerdings sind die einzelnen Bilder nicht Bestandteil eines Modells, sondern stellen voneinander unabhängige Einzelaufnahmen dar.
Obwohl ein meteorologisch geschulter Betrachter die komplexen Änderungen der Niederschlagssituation schnell erfassen kann, sind der quantitativen Erfassung der Bewegungsbahnen von Niederschlagsereignissen Grenzen gesetzt. Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit konzentriert sich daher auf die Erfassung, Modellierung und Extrapolation von Radarbildfolgen im Rahmen eines experimentellen Bildverarbeitungssystemes.
In einem Vorverarbeitungsschritt werden die Rasterdaten mit einer werterhaltenden Filterung geglättet. Das periodische Vorkommen von Artefakten bedingt ein Detektionsverfahren, um fehlerhafte Daten zum vornherein von der Modellierung ausschliessen zu können. Mit Hilfe der Hough-Transformation können linienhafte Fehler korrekt erkannt werden.
Im Gegensatz zu den herkömmlichen rasterorientierten Methoden der Bildfolgeanalyse basiert die vorgestellte Modellierung der Niederschlagsverlagerung auf einem objektorientierten Ansatz. Ein Tracing-Verfahren führt zu einer Vektorisierung der bereinigten Rasterdaten, so dass die Niederschlagsinformation in einer polygonalen Struktur zur Verfügung steht. Aus diesen unstrukturierten Radardaten werden mittels einer Merkmalsextraktion relevante Formcharakteristika berechnet, so dass daraus eine objektorientierte Transformation von Niederschlag resultiert. Diese Zerlegung ermöglicht die Defirution des Bildprimitivs "Niederschlagsobjekt (NO)", welches die Grundlage für die eigentliche Modellierung bildet. Die Abspeicherung der Merkmale erfolgt in einer Datenbank, welche speziell auf die Abarbeitung langer Merkmalsreihen abgestimmt ist. Neben den bekannten Merkmalen Schwerpunkt, Mittelwert und Trägheitsmomentachse werden Exzentrizität, Fourierdeskriptoren und die Werteverteilung eines NO zur Charakterisierung von Radardaten verwendet.
Die richtige Zuordnung der einzelnen NO von einem Zeitpunkt t zum nächsten Zeitpunkt t+1 bildet den Schwerpunkt der eigentlichen Modellierung. Wegen der oft fehlenden räumlichen Überlappung zu zwei Vergleichszeitpunkten ffihrt ein übliches Korrelationsverfahren nicht zum Ziel, sondern die einzelnen NO werden mittels frei definierbarer Regeln aufgrund ihrer Merkmale zugeordnet. Neben der sehr vorteilhaften Trennung von Daten und Methoden kann die Zuordnung auch auf mehrere Zeitpunkte ausgedehnt werden, um Datenlücken oder lokale Ausreisser eliminieren zu können.
Wegen der sehr variablen Anforderungen an eine korrekte Zuordnung ist eine adaptivhierarchische Baumstruktur gewählt worden, welche sowohl eine dynamische Anpassung als auch eine enge Formulierung der verwendeten Zuordnungsregeln erlaubt. Die Regeln können in einer eigenen Macrosprache formuliert werden. Durch die Implementierung eines entsprechenden Compilers ist eine genügend effiziente Ausführung der Regeln erreicht worden.
Anhand signifikanter Beispiele von Strömungssituationen ist die Formulierung realer Zuordnungsrege]n erarbeitet worden. Damit wird die Zuordnung advektiver Echos in ca. 70
Neben der Zuordnung im Zeitraum wird durch eine Clusterung benachbarter NO auch eine räumliche Zusammenfassung erzielt. Das oft nicht-kohärente Strömungsverhalten einzelner NO kann damit effizient homogenisiert werden.
Durch die Kombination von mehreren Merkmalen in Raum und Zeit können übergeordnete Begriffe wie Drall, Divergenz und Beschleunigung von NO definiert werden. Dadurch lassen sich leichter fassbare Aussagen über das Bewegungsverhalten vereinzelter NO oder ganzer Fronten machen.
Für die laufende Plausibilitätskontrolle des Modells werden einerseits bekannte Heuristiken aus der Bildfolgeanalyse und empirische Untersuchungen von Radarbildfolgen benützt, andererseits dienen Winddaten aus dem ANETZ zur systemunabhängigen Kontrolle der Verlagerungsprognose.
Die weitere Zusammenfassung übergeordneter Merkmale lässt eine primitive Prognose der aktuellen Strömungssituation zu, wobei in der vorliegenden Arbeit zwischen advektiven und konvektiven Ereignissen unterschieden werden kann.
Da diese Arbeit bewusst auf zwei einfache Strömungstypen beschränkt ist, würde eine Verfeinerung der zulässigen Strömungssituationen einen wesentlichen Erweiterungsschritt darstellen, um sich an die Komplexität realer Wetterereignisse annähern zu können. Die Verifikation der Zuordnungsregeln mit operationellen Daten wäre eine nächster wichtiger Schritt, um die Robustheit der verwendeten Methoden zu überprüfen.
Der Einsatz automatisierter Lernmethoden, insbesondere von neuronalen Netzwerken, könnte sowohl zu neuen Zuordnungsregeln und -formen als auch zu robusteren Plausibilitätskontrollen führen. Neben verbesserten Methoden dürfte die Verwendung von Volumendaten und genaueren Windmessungen eine wesentliche Erweiterung der Auswertemöglichkeiten erbringen. Speziell für die Erforschung konvektiver Ereignisse könnte dann auf die Vertikalinformation von 3-dimensionalen Daten zugegriffen werden.