Die Blaikenbildung als Folge beschleunigter Bodenabtragung ist in vielen Teilen der nördichen Kalkalpen eine verbreitete hochgebirgsspezifische Erosionserscheinung auf Almen. In der neueren deutschsprachigen Literatur werden unter diesem Begriff vegetationslose oder nur schütter bewachsene flächenhafte Schädigungen der Bodendecke auf Wiesen und Weiden verstanden, die Größenordnungen von wenigen bis zu mehreren hundert Quadratmetern erreichen können. Tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Almwirtschaft führten im bayerischen Alpenraum in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts zur Arbeitsextensivierung mit geringerem Personalaufwand oder Brache. Einhergehend mit dem wirtschaftlichen Wandel ist seit den 60er und 70er Jahren eine deutliche Zunahme von "Blaiken" sowohl auf extensiv bewirtschafteten als auch auf brachliegenden Almen zu beobachten. Neben flächenhaften Bodenschäden durch lokalen Überbesatz bei ungeregelter Weideführung, der Beweidung steiler Hänge bei Nässe und durch zunehmende touristische Aktivitäten (= Tritt- oder Narbenversatzblaiken) sowie Schnee- oder Lawinenschurfblaiken infolge mangelnder Pflegemaßnahmen (Schwenden, Entsteinen etc.) führen insbesondere Blattanbrüche zu einer drastischen Minderung der ökonomischen und ökologischen Standortqualität in der Kulturstufe der Almen. Im Gegensatz zu unregelmäßig ausgebildeten Tritt- oder in typischer Weise langgestreckten Schurfblaiken ist für Blattanbrüche eine scharf ausgebildete, zumeist sichelförmig verlaufende Abtragungsfront und eine häufig größere laterale Ausdehnung charakteristisch. Sie beruhen auf der hangabwärtigen Verlagerung von oft mehrere Dezimeter mächtigen und mitunter viele Quadratmeter großen Bodenschollen samt Vegetationsdecke. Die daraus resultierenden Blaiken erreichen in der Regel Größen von ca. 2-200 m¬. Gerade die bevorzugten Almstandorte mit tiefgründigen, schluffig-lehmigen Böden aus Verwitterungsprodukten mergelig-kieseliger Sedimente der alpinen Trias, des Jura und der Kreide sind von diesem Blaikentyp betroffen. Die Entstehung von Blattanbrüchen auf Almen in den nördlichen Kalkalpen wird in der Literatur auf Translationsbodenrutschungen, d.h. auf konsequente Gleitungen auf eienr präformierten Heterogenitätszone innerhalb des Solums, zurückgeführt. Arbeitsextensivierung oder Brache die zur Ausbreitung horstbildender Gräser mit flachgründigem, einheitlichen Wurzelhorizont führen und der kriechenden Schneedecke einen erhöhten Widerstand bieten sowie dadurch erfolgende Zugrißbildung im Boden, werden als Voraussetzungen für die Entstehung und die Zunahme der Blattanbrüche genannt. Als rutschauslösender Faktor wird vor allem das Eindringen von Oberflächenabfluß und Niederschlagswasser bei Starkregen in die Zugrisse gesehen. Dabei entsteht ein Ausspülungshorizont entlang der Untergrenze des einheitlichen Wurzelsystems, der durch seine bessere Wasserwegigkeit zum Gleithorizont wird. Besondere Bedeutung wird hinsichtlich des Ursachenkomplexes dem hohen Schluffgehalt betroffener Almböden zugemessen. Es wird allgemein davon ausgegangen, daß die schluffreichen Böden stark zu Rutschungen neigen und bei plötzlich starkem Wasserandrang nach Zugrißbildung sehr leicht ihre Standfestigkeit verlieren und unter Umständen schlagartig zerfließen. Bislang lagen jedoch keine Geländebeobachtungen und bodenkundliche Untersuchungen darüber vor, ob die Entstehung von Blattanbrüchen tatsächlich auf Translationsbodenrutschungen beruht bzw. beruhen kann.
424.1 (Erosion und Ablagerung. Erdrutsche usw.) 116.26 (Einfluß der Beweidung) 116.24 (Einfluß von Bodenfaktoren und geologischer Formation) 116.21 (Einfluß meteorologischer Faktoren) 116.12 (Ablagerung und Verteilung des Schnees (einschl. Wirkungen auf die Bodentemperatur usw.)) [234.3] (Alpen) [430] (Deutschland, 1990-)