Zur Diagnose von Wachtums- und Zuwachsstörungen werden die Entwicklungsverläufe mutmaßlich geschädigter Einzelbäume oder Bestände mit einem "normalen" Entwicklungsgang verglichen, der unter ungestörten Verhältnissen zu erwarten wäre und als Referenz dient. Der Vergleich zwischen dem zu beurteilenden Entwicklungsgang und der Referenz erlaubt die Datierung und Quantifizierung der Wachstumsreaktionen. Er kann zwar Indizien für Störungsursachen liefern, nicht aber den direkten Beweis von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Bei einer ersten Verfahrensgruppe wird die Referenz deduktiv aus Wuchsmodellen abgeleitet. Der Vergleich der beobachteten Entwicklungsgänge mit denen von Ertragstafeln, Szenariorechnungen mit dynamischen Wuchsmodellen und synthetischen Altersverläufen gibt Auskunft über die Abweichung zwischen Modell und Wirklichkeit und über die Brauchbarkeit der Modelle als forstwirtschaftliches Planungswerkzeug in den betrachteten Beständen. Vergleiche mit Modellen eignen sich für die Diagnose langfristiger und großräumiger Abweichungen von in zurückliegenden Zeiträumen empirisch abgeleiteten Modellvorstellungen. Beim Zuwachstrend-Verfahren, Pärchenvergleich, Nullflächen-Vergleich, dem Vergleich durch Indexierung und bei der regressionsanalytischen Zuwachsschätzung wird die Referenz aus unbeeinträchtigen Nachbarbäumen oder -beständen abgeleitet. Die Verfahrensgruppe eignet sich gut für die Diagnose zeitlich und räumlich begrenzter Störfaktoren in Rahmen von Beweissicherungsverfahren. Bei dem Vorperioden-Vergleich, der Diagnose abrupter Zuwachsereignisse, der Methode des konstanten Alters, dem Vergleich von Vor- und Folgegenerationen auf gleichem Standort und der Auswertung von Folgeinventuren werden die zu beurteilenden Entwicklungen mit Wachstumsverläufen in vergangener Zeit verglichen. Verfahren dieser Gruppe ermöglichen die Diagnose abrupter, aber auch langfristiger und großregional ausgeprägter Wachstumsänderungen. Die dendroökologische Zeitreihenanalyse diagnostiziert und quantifiziert Schäden, indem sie die Zuwachsgänge mutmaßlich geschädigter Bäume oder Bestände statistisch analysiert. Durch Elimination des Alterstrendes, Indexierung und Entwicklung einer Response-Funktion werden der Nachweis, die Datierung und Quantifizierung von Störeinflüssen möglich. Es werden die Zuwachszeitreihen zerlegt, die Komponenten Alter und Klima modelliert und Referenz-Zuwachszeitreihen erzeugt, die unter ungestörten Verhältnissen zu erwarten wären. Die der Diagnose und Schadensquantifizierung dienende Referenzkurve wird also aus dem Material selbst deduziert. Die Methode ermöglicht eine Differentialdiagnose lokaler und regionaler Wachstumsstörungen, erfordert aber langfristige Zeitreihen von den wichtigsten Standortfaktoren (Temperatur, Niederschlag usw.). Auf eine gegebene Fragestellung sollten nach Möglichkeit Methoden unterschiedlicher Verfahrensgruppen angewendet werden, um deren spezifische Stärken auszuschöpfen. Befunde zu Schadensausmaß und -ursache erhärten sich, wenn Verfahren mit unterschiedlicher Referenzbildung zu ähnlichen Ergebnissen gelangen.