Die Mittelwaldwirtschaft hat ueber viele Jahrhunderte das strukturelle Bild von Waelder der planaren und kollinen Hoehenstufe gepraegt. Nach der in der Oberrheinebene zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden Ueberfuehrung dieser Betriebsart zum Hochwald fehlte in den nicht umgewandelten Bestaenden de3r Niederwaldhieb, wodurch die ehemalige Unterschicht in die eichengepraegte Bestandesoberschicht einwachsen konnte und nunmehr das Strukturbild des "durchgewachsenen" Mittelwalds hervorruft. Ein wesentliches Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht in der Charakterisierung dieses dynamischen Vorgangs, der das Bestandesbild der ehemals im Mittelwaldbetrieb bewirtschafteten Bestaende im Untersuchungsraum "Mooswaelder der Freiburger Bucht" und "Bauernwaelder der Ostrheinrinne" zwischen Tuniberg und Rheinaue beherrscht. Ein derartiges Vorhaben erfordert die Operationalisierung eines Kriteriums, welches bislang wenig Eingang in die naturschutzfachliche Bewertungs- und Planungspraxis gefunden hat: Das Fachkriterium "Eigenart" erlaubt im Gegensatz bspw. zu den Kriterien "Naturnaehe" oder "Vielfalt" die Erarbeitung charakteristischer Gestaltmerkmale als identitaetsstiftende und schuetzenswerte Gueter. Bislang erfahren Mittelwaelder besondere Beachtung aufgrund ihres Artenreichtums und einer besonderen Lebensraumqualitaet fuer gefaehrdete Arten. Die mittelwaldtypische Struktur muss aber mit dem im Waldnaturschutz massgeblich verfolgten Fachkriterium "Naturnaehe" als "bedingt naturnah" bis "naturfern" eingestuft werden. Somit ergibt sich aus dem gesetzlichen Auftrag des Schutzes typisch ausgepraegter Bestaende dieser Betriebsart ein Widerspruch zu Leitlinien des Waldnaturschutzes, die vor allem eine Foerderung dynamischer Prozesse mit der schrittweisen Annaeherung an das Ziel einer maximalen Naturnaehe der Bestaende fordern. Die vorliegende Untersuchung stellt das Kriterium "Eigenart" als moeglichen Ansatz zur Ueberwindung dieses Widerspruchs dar, indem es das reduktionistische Prinzip der Wertschaetzung eines Lebensraums ueber Gefaehrdungsmerkmale seiner Lebensgemeinschaft nicht ueberbeansprucht und dem holistischen Prinzip der Naturnaehe mit seinen zur Generalisierung neigenden Zielvorstellungen zu mehr Individualitaet verhilft. Mittels zwei thematischer Ansaetze wird die Operationalisierung von Eigenart angestrebt: - Eigenart als Summe visuell wahrnehmbarer Gestaltmerkmale legt die Einbeziehung von Merkmalen der Waldstruktur nahe. Unter Modifizierung eines aus der Holzmassenermittlung bekannten photographischen Messverfahrens konnten ueber 300 Bestandesbilder ehemaliger Mittelwaelder und aktuell im mittelwaldaehnlichen Betrieb bewirtschafteter Bauernwaelder auf Eigenartsmerkmale der Waldstruktur ueberprueft werden. Die erfassten Kennwerte reichen dabei von typischen Forstinventurparametern wie Stammzahl und -verteilung, Durchmesserverteilung und Grundflaeche ueber wichtige Habitatkriterien wie Grundflaeche stehenden Totholzes und Grundflaeche grobrindiger Baumarten bis zu eigentlichen Strukturkriterien wie Kronendimension, vertikale Schichtung der Vegetation und Daten zur Physiognomie der alten Bestandesoberschicht. Dank der Anwendung eines photographischen Mediums liegen die Erhebungen nicht allein als Datensammlung, sondern auch in Form einer nahezu flaechendeckenden Belegphotosammlung vor, auf die zur Illustration der Analysen mehrfach zurueckgegriffen wird. - Eigenart in ihrer biotischen Dimension als Auspraegung einer charakteristischen, "individuellen" Artenkombination laesst sich als theoretischer Ueberbau des Leitartenkonzeptes auffassen. Die vorliegende Untersuchung stuetzt sich daher auf ein anerkanntes avifaunistisches Leitartenmodell und waehlte drei Vertreter der Buntspechte (Gattung Picoides) im Zusammenhang mit Pirol, Turteltaube und regional mittelwaldtypischen Halboffenland-Arten der Singvoegel als Kartierungsobjekte. Im Rahmen einer zeitlich reglementierten Dauererfassung wurden von Oktober 1993 bis Sep..