Die vorliegende Arbeit umfasst zytotaxonomische und ökologische Untersuchungen an Campanula patula L. s. l. und Campanula Rapunculus L. Das verwendete Pflanzenmaterial wurde im Bereich der Alpen und des Alpenvorlandes in der Schweiz und in Österreich gesammelt. Campanula patula s. l. lässt sich auf Grund der Ergebnisse in 3 Sippen einteilen: 1) in eine diploide nördliche Sippe (2n=20), die ihre südliche Begrenzung in den zentralalpinen Tälern erreicht. 2) eine diploide südliche Sippe (2n=20), die gegen Norden bis ins Vorderrheintal und in zentralalpine Täler vordringt. 3) eine tetraploide Sippe (2n=40), deren Areal sich teilweise mit dem der nördlichen Sippe überschneidet. Unterschiede zwischen den 3 Sippen zeigten sich in ihrer Zytologie, Morphologie und teilweise in der Ökologie. Die Chromosomensätze der beiden Diploiden bestehen aus metazentrischen und submetazentrischen Chromosomen. Das Verhältnis zwischen den langen und kurzen Chromosomen ist in den Sippen verschieden. Die südliche Sippe hatte durchschnittlich längere, die tetraploide kürzere Chromosomen und ist in dieser Hinsicht der nördlichen ähnlich. Das wertvollste morphologische Merkmal zur Bestimmung der Sippen ist die Länge und das Aussehen der Kelchzipfel. Das Verhältnis zwischen der Länge der Kelchzipfel und der Länge der Kronzipfel ist ebenfalls von taxonomischen Wert. Die Pflanzen der nördlichen Sippe haben kurze Kelchzipfel, die der südlichen Sippe lange, während die Werte der tetraploiden Sippe eine Zwischenstellung einnehmen. Reziproke Kreuzungen zeigten, dass zwischen den zwei diploiden Campanula patula Sippen offensichtlich keine ausgeprägte genetische Schranke besteht, denn es konnten zahlreiche Bastarde erhalten werden. Die Untersuchungsergebnisse stimmen mit den Beobachtungen in der Natur überein, solche Bastarde wurden in den Übergangsgebieten der beiden Sippen gefunden. Andererseits waren Kreuzungen zwischen diploiden und tetraploiden Pflanzen nur dann erfolgreich, wenn diploide als Mutterpflanzen verwendet wurden. Was die ökologischen Bedingungen betrifft, kann man sagen, dass die nördliche Sippe von Campanula patula auf feuchten oder trockenen und wenig gedüngten Böden wächst. Sie tritt in einigen Varianten des Arrhenateretums und des Mesobrometums auf. Die südliche Sippe wächst auf trockenen, nicht stark gedüngten Böden innerhalb der Pflanzenverbände des Arrhenaterion und des Mesobromion. Die Standorte der tetraploiden Sippe sind ähnlich denen der nördlichen Sippe.