Streuobstwiesen, alte Hausgärten, Obstbaumalleen und landschaftsbestimmende Einzelbäume stammen aus einer Zeit anderer Versorgungslage, anderer Wertschätzungen, anderer Arbeitskosten und anderer Arbeitskräfteverfügbarkeit. Aus dieser Sicht haben die alten Hochstamm-Anlagen etwas Unzeitgemäßes und Überholtes an sich. Das schließt die Tatsache mit ein, daß das "Landschaftsobst" ohne begleitende Unterstützung mittelfristig verschwinden wird. In vielen mitteleuropäischen Landschaften tragen Obstbaumbestände allerdings zu deren Unverwechselbarkeit und zur regionalen Identität bei. Sie erfüllen wichtige Aufgaben im Landschaftshaushalt und in der Lebensraum- und Arterhaltung. Zusätzlich sind die verschiedenen Formen von landschaftsprägendem Obstbau auch lebende Denkmäler einer Bewirtschaftungs-, Ernährungs- und kulturlandschaftlichen Tradition. Ihre Erhaltungswürdigkeit steht außer Zweifel. Im modernen Sinn bedeutet die Erhaltung zu gleichen Teilen Sichern und Entwickeln. Für beide Handlungsebenen wurden bereits viel Denkarbeit geleistet. Konzepte wurden entwickelt und auch umgesetzt, wie die vielen Initiativen im mitteleuropäischen Raum zeigen. Leitlinien für die Erhaltung der verschiedenen Typen von Hochstamm-Obst, findet man zunehmend in Publikationen des Naturschutzes, der alternatien Landwirtschaft, der obstbaulichen Fachliteratur und in Vorzeigebeispielen von einzelnen "Obstbaum-Aktivisten". Woran es tatsächlich noch fehlt, ist die Umsetzung auf regionaler Ebene. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Ebene, das kollektive Vorgehen und die gemeinschaftliche Zielsetzung sind notwendig. Für die Erhaltung seltener Sorten können Einzelpersonen ausreichen, für die Erhaltung einer ortstypischen Obstbaum-Kulisse ist bereits der Konsens einer Dorfgemeinschaft erforderlich. Um einen ganzen Formenschwarm von Obstbaumbeständen landesweit zu erhalten, ist wesentlich mehr Anstrengung notwendig. Der Bereich "Obstbäume in der Landschaft" muß dazu aus der Rolle des "lieblichen" Nebenthemas herauswachsen und schwerpunktmäßig aufgearbeitet werden. Kulturlandschaftsprojekte, Dorferneuerungsinitiativen und Forschungsvorhaben mit einem Obstbaum-Schwerpunkt sollten prioritär behandelt und auch entsprechend dokumentiert werden. Interessierte zum Thema, Spezialisten und Nutzer, Förderer und Konsumenten müssen zusammengeführt werden, etwa durch die Bildung einer Streuobst-Börse oder durch ein "Obstbau-Netzwerk", das sich moderner Kommunikationsmedien bedient. Bei Berücksichtigung der natürlichen Standortresourcen im Obstbau kann nicht nur der Dünge- und Spritzmittelaufwand und damit der ökonomische Faktor reduziert werden, sondern auch eine höhere Ertragssicherheit und Erntemenge erzielt werden. Als Nebeneffekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, können die seit Jahrhunderten standortsökologisch angepaßten alten Obstsorten als Genreserven für einen gegenwärtigen, nach Regionen adaptierten Obstbau (regionaler Sortenspiegel) dienen. Die Obstbaumbestände der Zukunft werden zweifellos anders aussehen, als die, die wir heute vorfinden. Die Segregation zwischen Intensiv- und Extensivanlagen wird sich verstärken und der Nutzaspekt wird zukünftig nicht mehr so stark an der Obstproduktion gemessen werden. Wahrscheinlich werden in Zukunft auch andere Akteure die Entwicklung der Extensivobstbäume steuern und gestalten, als bisher. Die derzeit vorwiegend in bäuerlichen Besitz befindlichen Streuobstwiesen sind in hohem Maße von den agrarstrukturellen Veränderungen betroffen. Dieser Trend wird anhalten und sich vermutlich noch verstärken. Die Verantwortung für die Erhaltung der Extensivobst-Bestände wird daher zunehmend auf andere gesellschaftliche Bereiche übergehen, wie Vereine, Patenschaften, Initiativgruppen und engagierte Einzelpersonen. Auch wenn Veränderungen bei den Extensivobst-Beständen durch die Langlebigkeit und Überdauerungsfähigkeit einzelner Baumindividuen verwischt werden und damit weniger dramatisch erscheinen, ist es hoch an der Zeit, wirksame Programme für die Zunkunft der landschaftsprägenden Obstbaues zu entwickeln.