Folgewirkungen der Schwammspinner-Kalamität 1992 bis 1995 (Lymantria dispar L.) in einem mitteleuropäischen Eichenwaldgebiet am Beispiel des Bienwaldes in Rheinland-Pfalz : Dissertation, Georg-August-Universität. Forstwissenschaftlicher Fachbereich
Der SCHWAMMSPINNER (Lymantria dispar L.) erschien in MITTELEUROPA anfangs der neunziger Jahre in einer bis dahin in diesem Ausmaß nicht gekannten PANDEMISCHEN MASSENVERMEHRUNG. Zu diesem Zeitpunkt war insbesondere aus Südosteuropa und den USA bekannt, dass Schwammspinner-Kahlfraß erhebliche Folgeschäden auslösen kann. Demgegenüber lagen für die in Mitteleuropa hauptsächlich betroffenen Eichenwälder nur ansatzweise Erfahrungen über die Gefahr daraus resultierender Schäden vor. Folglich war die forstliche Praxis bei der Beurteilung des Für und Wider von Gegenmaßnahmen mit Hilfe von Pflanzenschutzmitteln weitgehend auf Vermutungen angewiesen. Da eine erneute Kalamität diesen Umfangs für die Zukunft in RHEINLAND-PFALZ grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, bestand die dringende Notwendigkeit die Auswirkungen des Fraßes zu untersuchen, um bei späteren Massenvermehrungen Entscheidungshilfen geben zu können. Vor dem Hintergrund möglicher Folgeschäden sollte in dieser Arbeit zunächst grundlegend geklärt werden, ob mit einer Wiederholung von Kalamitäten gerechnet werden muß und somit eine Überwachung der Population notwendig ist. Im Mittelpunkt des Interesses dieser Arbeit stand die Frage, welche Maßnahmen bei künftigen Massenvermehrungen zum Schutz des Waldes zu treffen sind. Wesentliches Ziel der Untersuchungen war, das Risiko eines Fraßes unter Berücksichtigung unterschiedlicher Rahmenbedingungen, wie beispielsweise des Standortes, der Wetterbedingungen und der Bestockungskriterien, im Hinblick auf forstlich relevante Folgeschäden abzuschätzen. Unter Folgeschäden sind in erster Linie Absterbeerscheinungen, Vitalitäts- und Qualitätsverluste zu verstehen. Zudem sollten die Absterbeursachen analysiert sowie auftretende Folgeschädlinge und daraus entstehende Schäden dokumentiert werden. MASSENVERMEHRUNGEN IN RHEINLAND-PFALZ. Anhand der bekanntgewordenen Kalamitäten ist zu erkennen, dass es in den letzten drei Jahrzehnten insbesondere im Nordpfälzer Berg- und Hügelland, im Nahegebiet, an der Mosel und im Bereich der Saar sowie am Mittelrhein zu wiederholten Massenvermehrungen kam. Die Gradationen mit Abständen zwischen vier und fünfzehn Jahren dauerten meist drei- oder vier Jahre mit ein- oder zweijähriger Kulmination. Ein Vergleich der im Bienwald bekannten Kalamitäten mit Wetterdaten zeigt, dass vor Massenvermehrungen nicht immer mehrere Jahre mit ausgeprägt trocken-warmem Wetter wie zu Beginn der neunziger Jahre vorlagen. Derartige Ereignisse sind allein offensichtlich nicht unbedingt eine zwingende Voraussetzung für Kalamitäten. Die seit den siebziger Jahren bekanntgewordenen Kalamitäten sind im Mittel in etwa siebenjährigem Abstand auftreten, weshalb auf eine ENDOGENE PERIODIZITÄT geschlossen werden kann. Ein spürbares Ausmaß wird dabei offenbar nur bei besonders günstigen Wetterbdingungen in der Progradationsphase erreicht, so dass auch Abstände von etwa vierzehn Jahren beobachtet wurden. Demnach sind in Rheinland-Pfalz auch künftig Schwammspinner-Kalamitäten nicht auszuschließen. FOLGESCHÄDEN IN RHEINLAND-PFALZ. Aus den Stockausschlagbeständen der Nieder- und Überführungswälder in den Befallsgebieten der Nordpfalz, der Nahe, der Mosel, der Saar, des Mittelheins und an der Lahn wurden selbst nach mehrmalig aufeinanderfolgendem Befall kaum gravierende und flächig bedeutsame Folgeschäden bekannt. Hier waren hauptsächlich Traubeneichen auf TERRESTRISCHEN STANDORTEN betroffen, die nach dem Raupenfraß nur in wenigen Fällen von Eichenmehltau (Microsphaera alphitoides Grif. & Maubl.) befallen wurden. Demgegenüber sind auf HYDROMORPHEN EICHENSTANDORTEN der Hochwälder des Bienwaldes im Anschluß and die Kalamität der Jahre 1993 und 1994, die von starkem Mehltaubefall begleitet war, erhebliche Folgeschäden entstanden. Aus diesem Grund konzentrierten sich die Untersuchungen auf dieses Waldgebiet. UNTERSUCHUNG DER FOLGESCHÄDEN IM BIENWALD. Die Folgeschäden wurden anhand von CIR-LUFTBILDERN 1995 flächendeckend ermittelt und mit Hilfe eines GEOGRAPHISCHEN INFORMATIONSSYSTEM (GIS) analysiert. Der Einfluß des Fraßes und des Standortes auf die Schäden war dabei von besonderem Interesse. Zudem fand von 1995 bis 1997 eine eingehende terrestrische Untersuchung der Folgeschäden auf 43 ausgewählten BEOBACHTUNGSFLÄCHEN vorwiegend mit permanenten Stichprobebäumen und flächigen Vollaufnahmen in unterschiedlichen Alterstufen statt. Neben baumbeschreibenden Merkmalen wurden jährlich über die Ansprache der Kronenverlichtung vor allem Vitalitätsparameter erhoben. In Alt- und Baumhölzern wurden die Standorte einzelbaumweise eingeschätzt, um kleinräumige Unterschiede berücksichtigen zu können. Ausführliche SYMPTOMANALYSEN sollten Hinweise auf die Absterbeursachen geben. 1993 und 1994 wurde eine Waldfläche von 2.505 ha durch Schwammspinner-Raupen kahl oder licht gefressen, 6,18 ha davon waren in beiden Jahren befallen. Daraufhin sind 1995 auf 547 ha zahlreiche Eichen abgestorben. Die Schäden reichten in allen Altersstufen bis hin zum flächenweise vollständigen Ausfall der Eichen. In 1994 mit Pflanzenschutzmitteln auf 1.545 ha behandelten Beständen waren entweder keine Folgeschäden (83 %) oder vorwiegend Schäden in Zusammenhang mit Befall des Vorjahres 1993 (12 %) festzustellen. Von wenigen eingemischten Fichten und Douglasien abgesehen (3 ha), sind nur Eichen abgestorben. Es fielen bis in den Sommer 1998 schätzungsweise 45.000 fm Schadholz an. Andere Baumarten zeigten keine auffälligen Schäden. Die Folgeschäden konzentrierten sich auf hydromorphe Standorte und nahmen mit zunehmendem Wassereinfluß von "nicht vernäßten" bis hin zu "nassen" Bereichen deutlich zu. Besonders auffällig war, dass der einmalige Kahlfraß 1994 wesentlich mehr Schäden als der einmalige Kahlfraß 1993 verursachte. Unter den im Bienwald gegebenen Verhältnissen sind Eichen auf den disponierten Standorten offensichtlich auch bei günstiger Ausgangsvitalität und geringer Vorschädigung abgestorben. In Alt- und Baumhölzern fielen ein Drittel der im Beobachtungszeitraum abgestorbenen Eichen bereits im Frühjahr 1995 aus. Je schlechter der Kronenzustand der im Frühjahr 1995 überlebenden Eichen war, desto eher sind sie in den Folgejahren abgestorben. Ab einem Blattverlust von 75 % sind bis 1997 mehr als 70 % der Bäume abgestorben. Wie die Symptomanalysen belegen, war im Frühjahr 1995 nicht zu erkennen, dass der Zweifleckige Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus (F.)) die Ursache des Absterbens gewesen sein könnte. Demgegenüber wurde er seit dem Sommer 1995 an nahezu 90 % der abgestorbenen Baumhölzer zahlreich vorgefunden. 1997 ging die Mortalitätsrate deutlich zurück, da nur noch wenige geschädigte Eichen vorhanden waren. Allerdings weisen heute noch Befallsanzeichen wie Schleimflußflecken und Ausbohrlöcher darauf hin, dass ein Ende des chronischen Prachtkäferbefalls nicht abzusehen ist. URSACHEN DES EICHENSTERBENS IM BIENWALD. In Zusammenhang mit der Schwammspinner-Kalamität kommen für die Entstehung von Folgeschäden mehrere synergistisch wirksame Faktoren in Betracht: Der Wasserhaushalt der hydromorphen Eichenstandorte ist dabei ein entscheidender prädisponierender Faktor. Als grundlegende schadensauslösende Ursache ist die Entlaubung durch den Schwammspinner anzusehen. Der bis in den Hochsommer andauernde Raupenfraß ebnete den Weg für den Eichenmehltau, wodurch zusätzlich die Assimilationstätigkeit der Regenerationstriebe eingeschränkt wurde. Aufgrund der stark reduzierten Blattmasse war die Spätholz- und vermutlich auch die Feinwurzelbildung im Sommer beider Fraßjahre vermindert. Zudem ist anzunehmen, dass in beiden Jahren keine oder nur eine sehr eingeschränkte Reservestoffbildung erfolgen konnte. Somit fehlte den Eichen im nächsten Frühjahr die Kraft zum Aufbau eines ausreichenden Frühholzanteiles, der noch vor dem Blattaustrieb ausgebildet wird, und zur Regeneration der Feinwurzeln. Im Jahr 1994 spielte die durch einen ungünstigen Wetterverlauf verursachte Vernässung der hydromorphen Standorte eine besondere Rolle. Die Vernässung wurde durch hohe Winter- und Frühjahrsniederschläge sowie Starkniederschläge während der Entlaubungsphase bei gleichzeitig durch die fehlenden Blätter stark eingeschränkter Transpiration und Interzeption ausgelöst. Dadurch ist zum Zeitpunkt des Insektenfraßes bei gleichzeitig hohen Sommertemperaturen aufgrund anaerober Bedingungen vermutlich eine Hypoxie enstanden, die hohe Feinwurzelverluste zur Folge hatten. Zusammen mit der offensichtlich erheblich eingeschränkten Wasserleitfähigkeit aufgrund der verminderten Frühholz- und mangelnden Spätholzbildung führten diese Feinwurzelverluste im Fraßfolgejahr 1995 offenbar zu einem "physiologischen Wassermangel" der Eichen. Auch vor dem Fraß vitale Bäume wurden durch diese Vorgänge so geschwächt, dass sie entweder bereits zu Beginn der Vegetationsperiode 1995 abgesorben sind oder für einen Angriff durch Folgeschädlinge ausgesprochen prädisponiert waren. So boten die vor allem auf hydromorphen Standorten aufgelichteten Eichenbestände mit zahlreichen geschwächten Bäumen dem Zweifleckigen Eichenprachtkäfer im Frühjahr 1995 ideale Lebensbedingungen, wodurch eine Massenvermehrung dieses Insekts als wesentlicher schadensverstärkender Faktor entstanden ist. Seitdem war der Prachtkäfer maßgeblich daran beteiligt, dass sich viele geschädigte Eichen, die die erste Absterbewelle überlebt hatten, nicht mehr erholten und abgestorben sind. Daneben haben die durch den Ausfall der Eichen seit 1995 entstandene zusätzliche Vernässung der Schadbestände sowie der Hallimasch und rindenbesiedelnde Pilze dazu beigetragen, dass die Regeneration der Eichen verhindert wurde. Auch wurzelschädigende Phytophthora- und Pythium-Arten wurden als Bodenpilze im Bienwald nachgewiesen, wobei ihre Bedeutung für den Absterbeprozeß nicht endgültig geklärt ist. AUSWIRKUNGEN DER FOLGESCHÄDEN. Durch die Schwammspinner-Folgeschäden sind unter anderem Biotopverluste von wertvollen Eichenmischwäldern, selektive Verluste der Eichen in Mischbeständ
453 (Insekten [Für die weitere Unterteilung siehe Familien unter 14 oder alternativ (beschrieben nach Regelfall 1d in der Einleitung) können die Nummern alphabethisch nach Familien und Arten unterteilt werden (Appendix C)]) 145.7x18.77 (Liparidae) 145.7x18.28 (Tortricidae) 450 (Allgemeines. Begünstigende Faktoren und Ursachen des Schadenauftretens (einschl. Schädlingsprognose) [Kreuzverweise zu anderen Unterteilungen von 45 nach Bedarf]) 48 (Schäden infolge unbekannter oder komplexer Ursachen (nach Holzarten geordnet)) 176.1 (Dicotyledoneae [Siehe Anhang D]) [430] (Deutschland, 1990-)