Im semiariden Chaco Argentiniens lassen sich zwei Prozesse beobachten, die zu einer Zerstörung des Waldes führen: Entwaldung und Degradierung. Die dadurch verursachte Veränderung der Umwelt hat schwerwiegende Folgerungen für die ländliche Bevölkerung, insbesondere für die Ureinwohner, die als Jäger und Sammler ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Literatur nennt als regionale Ursachen der Waldzerstörung Rodungen mit dem Ziel einer intensiveren Landnutzung, Überweidung, Holzexploitation und übermäßige Bejagung. Diese sind jedoch nur als Symptome tiefer liegender sozialer und politischer Ursachen zu betrachten. Als zentrales Thema analysierte die vorliegende Arbeit die Landrechte und ging dabei von der Hypothese aus, dass diese eine wichtige Rolle bei der Zerstörung des Chaco-Waldes spielen. Aus einer sozialer Perspektive heraus wurde untersucht, auf welche Weise die Bodenordnung die Handlungen der Waldnutzer beeinflußt und wie diese Handlungen zur Waldzerstörung beitragen. Aufbauend auf eine Fallstudie und unter Verwendung von Methoden der Rechtslehre und der empirischen Sozialforschung wurde die "Situation der Ressourcennutzung" beschrieben. Diese wurde als die Situation definiert, in der der Akteur gemäß seinen Interessen über die Boden- und Ressourcennutzung entscheidet und zielgerichtet handelt. Die "Situation der Ressourcennutzung" wurde auf der Basis folgender Variablen erfaßt: normativer Rahmen, Akteure und ihr Interesse an den Ressourcen und deren Nutzung sowie Zustand der Ressourcen aus Sicht der Akteure. Der normative Rahmen schließt formelle und informelle Normen ein, die die Beziehungen zwischen den Menschen hinsichtlich der Nutzung des Bodens und der Ressourcen regeln. Die formellen Normen (Gesetze, Dekrete, Rechtsverordnungen sowie Satzungen der Verwaltung) wurden mit Hilfe von deontischen Operatoren evaluiert, ihre Auslegungskriterien einer juristischen Interpretation unterzogen. Die informelle Normen, die Interessen der Akteure, die Nutzung der Ressourcen sowie die Wahrnehmung des Waldzustandes durch die Akteure wurden mittels standardisierter Einzel- und freier Gruppenbefragungen erhoben. Im Rahmen einer Sekundäranalyse wurden Akten und Register der Verwaltung analysiert. Es wurden die Faktoren festgestellt, die bei der Ressourcennutzung zu Konflikten zwischen den Akteuren führen. Weiter wurden ihre Handlungen in den Konfliktsituationen analysiert und deren Bedeutung für die Waldzerstörung erklärt. Die empirisch erhobenen Daten beziehen sich auf eine Fläche von ca. 4.000 qkm, im semiariden Chaco der argentinischen Provinz Salta. 69 % des Untersuchungsgebiets ist Privateigentum 31 % Eigentum der Provinz Salta. In der argentinischen Verfassung ist das Recht auf Eigentum als bürgerliches Grundrecht mit dauerhaftem und ausschließlichem Charakter verankert. Trotzdem erfolgt die Landnutzung im Untersuchungsgebiet im Rahmen komplexer und häufig unrechtmäßiger Besitzverhältnisse. Es gibt Eigentümer, Pächter mit gültigen bzw. ungültigen Verträgen, Nießbrauch gemäß mündlichen Übereinkünften, Okkupanten mit mehr als zwanzigjähriger Präsenz (und somit Aussicht auf einen Besitztitel) sowie unrechtmäßige Okkupanten. Die wichtigste Tätigkeit der Betriebe ist die Viehzucht, die als Waldweide ausgeübt wird. Die Verpachtung der Grundstücke mit land-, vieh- oder forstwirtschaftlicher Nutzung ist durch nationale Gesetze geregelt. Demnach hat der Pächter das Recht auf die vollständige Nutzung des Grundstückes. In der vorliegenden Arbeit wurde jedoch die Existenz von Sondervereinbarungen festgestellt, die das Gesetz übertreten, wie z.B. die gleichzeitige Verpachtung eines Grundstückes an mehrere Akteure, die unterschiedliche Nutzungen ausüben. Diese Mehrfachverpachtung an verschiedene Akteure wurde in der vorliegenden Arbeit als "Dissoziation" bezeichnet. Neben diesen rechtswidrigen Vereinbarungen kommt es vielfach auch zu illegaler Besetzung von Privatland, die durch die Abwesenheit der Eigentümer begünstigt wird: 81 % der Landfläche gehört Eigentümern, deren Aufenthaltsort weiter als 100 km vom Grundstück entfernt ist. Daneben trägt der Mangel an Vermessung und Markierung der Grundstücke zum Entstehen unrechtmäßigen Besitzes bei. Auf Staatseigentum leben fünf Gemeinden von Wichi-Ureinwohnern, die Jagd- und Sammeltätigkeiten ausüben. Weiter gibt es auf Staatseigentum landwirtschaftliche Betriebe, die den Wald ausschließlich zum Zweck der Viehzucht bewirtschaften. Für die argentinische Verfassung haben die Rechte der Ureinwohner am Grundeigentum der von ihnen traditionell bewohnten Fläche einen hohen Stellenwert. Auch nach dem Gesetz der Provinz Salta soll das Staatseigentum der ansässigen Bevölkerung zugeteilt werden, -Ureinwohnern und Viehzüchtern. Die Bestimmungen des Gesetzes sind bis heute jedoch nur in wenigen Fällen umgesetzt worden. Die meisten auf Staatseigentum angesiedelten Betriebe, sowie vier von den fünf dort ansässigen Wichi-Gemeinden haben gegenwärtig den Status von unrechtmäßigen Okkupanten. Gemäß der Gesetzgebung der Provinz Salta wird den Viehzüchtern auf Staatseigentum nur Viehzucht gestattet, nicht jedoch die Ernte des Holzes. Diese wird für die selbe Fläche an andere Akteure vergeben, womit der Staat selbst die Dissoziation fördert. Sowohl auf Privat- wie auch auf Staatseigentum wurde festgestellt, dass es einige Ressourcen freien Zugangs gibt, d.h. es gibt keine Gruppe, die Nutzungsrechte ausübt und andere von der Ausübung dieser Rechte ausschließt. Die Ressourcen freien Zugangs sind die Pflanzen des Waldes einschließlich der Weidegräser, die Wildtiere und das Wasser. Dies gilt insbesondere für die Ureinwohner aber auch für landwirtschaftliche Betriebe: - Weidefläche: 40 % der Befragten bezeichneten diese Ressource als frei zugänglich, 24 % als halboffenen Zugangs; - Wildfauna: 43 % bescheinigte dieser Ressource freien, 35 % halboffenen Zugang; - Wasser: 56 % faßte die Ressource als frei zugänglich auf, 20 % als halboffenen Zugangs. Nur der Zugang zum Rundholz wurde von der Mehrheit der in den Betrieben befragten Personen (56 %) als beschränkt angesehen. Sowohl die Dissoziation der Ressourcennutzung wie auch der freie Zugang zu den Ressourcen führen zu Konfliktsituationen, bei denen aus individueller Sicht rationale Handlungen der Akteure zu einem kollektiv nicht rationalen Ergebnis führen: der Walddegradierung. Dennoch können die Akteure unter bestimmten Voraussetzungen beginnen, kooperative Handlungen einzuführen, die zur Lösung der Konfliktsituation mithelfen können. Diese Voraussetzungen sind ökologische Kenntnisse der Waldnutzer aber auch das Wissen um die sozialen Normen sowie der persönlichen Ziele und Absichten der weiteren an der Nutzung des Waldes beteiligten Personen. Darauf aufbauend wurden forstpolitische Instrumente bezeichnet, die zur Lösung der Konfliktsituationen beitragen können und somit eine nachhaltige Waldnutzung im semiariden Chaco begünstigen.
914 (Beziehungen zwischen Wald und Ödland. Benutzung und Aufforstung von Ödland. Entwaldung) 93 (Forstaufsicht und Forstgesetzgebung) 268.1 (Waldweide) [82] (Argentinien)