Arbeitssituation im Kleinprivatwald im Schwarzwald und in Kyushu : Untersuchung der Einstellung der Waldbesitzer zu Waldarbeit und Waldbesitz : Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Forstwissenschaftliche Fakultät
Die im Kleinprivatwald geleistete Arbeit ist für die deutsche und die japanische Forstwirtschaft von großer Bedeutung. Sie ist nicht direkt mit der Waldarbeit im Staats- und Köperschaftswald oder auch im Großprivatwald zu verleichen, denn die Arbeit im Kleinprivatwald wird in der Regel vom Betriebsleiter (meist Landwirt) selbst geleistet. Somit besteht eine unmittelbare und sofortige Wechselwirkung zwischen der betrieblichen Planung und dem Arbeitseinsatz. Die Arbeits- und Betriebssituationen des Betriebes im Kleinprivatwald sind enger miteinander verbunden, als dies im größeren Forstbetrieb möglich ist, bei dem die Funktionen der Arbeitsausführung und der Betriebsleitung getrennt sind. Dies kann unter den "Aspekt der personalen Ganzheitlichkeit" gefaßt werden. Zudem beeinflußt die Situation des Gesamtbetriebes, durch weitere Betriebszweige (zumeist Landwirtschaft) und die Familienstruktur (Möglichkeit der Mitarbeit von Vater oder Sohn), die Arbeitsverhältnisse im Wald. Tradition und Entwicklung des Betriebes binden den Waldbesitzer an das Land seiner Familie. Dies ist der "Aspekt der familiären Kontinuität". Da der Betriebsleiter zugleich derjenige ist, der den Betriebsplan austellt und ausführt, folgt die Verbindung zwischen den betrieblichen Komponenten (Planung und Durchführung) nicht aus dem Arbeitsauftrag, sondern aus der eigenen "Arbeitseinstellung". Die Analyse der Einstellung des Betriebsleiters erklärt, was der Waldbesitzer persönlich über seine Arbeit im Wald denkt. Bei der vorliegenden Untersuchung wird die Einstellung von Betriebsleitern auf den Ebenen "Bewertung und Zufriedenheit in Vergangenheit und Zukunft" analysiert. Hierbei beschränkt sich die Untersuchung nicht alleine auf den forstwirtschaftlichen Bereich, sondern betrachtet diesen als Teil des Familienhaushalts. Durch die Ermittlung der Bedeutung forstlicher Bewirtschaftung und der Einstellung des Betriebsleiters wird zum einen die Eigenarbeit im Kleinprivatwald aus Sicht des Waldbesitzers dargestellt und der Zusammenhang zwischen Arbeit und Betrieb erklärt. Zum anderen wird neben dem technischen Aspekt der Arbeit (Menge und Inhalt) insbesondere die Bedeutung der Arbeit im Wald für den Kleinprivatwaldbesitzer und seine Familie beleuchtet. Als Untersuchungsgebiete für diese Untersuchung wurden in Deutschland der Schwarzwald und in Japan der Bezirk Kyushu ausgewählt. In beiden Regionen nehmen Mischbetriebe der Land- und Forstwirtschaft im Kleinprivatwald auch heute noch großen Raum ein. Deutschland und Japan haben ähnliche Industriestrukturen und Verbindungen mit dem Weltmarkt. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand in beiden Staaten ein starker Bedarf an Holz. Aus diesem Grund und mit dem Ziel nachhaltiger Forstwirtschaft wurde großflächig aufgeforstet. Danach haben sich die Länder vor allem industriell entwickelt. Heute können die beiden Staaten große Teile ihres Holzbedarfs im internationalen Handel von außen decken. Der Vergleich zwischen Deutschland und Japan soll zeigen, welchen Einfluß einerseits Kultur und Gesellschaft und andererseits die unabhängige Eigenarbeit auf die Bewirtschaftung des Waldes und die Einstellung der Waldbesitzer haben. Für diese Untersuchung wurden Interviews mit Betriebsleitern von Kleinprivatwaldbetrieben geführt. 121 Interviews fanden im Schwarzwald in zwei Teilkollektiven und 44 in Kyushu statt. Die Komponente "Familiengeschichte" wird im ersten Teil der Interviews untersucht, der "Betriebsleiter" im zweiten, der "Arbeiter" im dritten und die "Verantwortung für die nächste Generation" im vierten Teil. Im Schwarzwald handelt es sich bei den untersuchten Betrieben häufig um Grünlandbetriebe mit Forstwirtschaft. Etwa die Hälfte der Betriebe erwirtschaftet zudem einen Teil des Familieneinkommens durch Fremdenverkehr. Im Schwarzwald findet man eine Vielzahl von Berufstätigkeiten außerhalb des eigenen Betriebes. Die Männer arbeiten meistens in den Bereichen Land- oder Forstwirtschaft und Handwerk. Frauen bleiben meistens zu Hause und arbeiten für die Gesellschaft und die Familie als Hausfrau - zumindest als Haupttätigkeit. Der landwirtschaftliche Bereich bleibt weiterhin als Familienbetrieb bestehen und die Berufswahl der jüngeren Generation - oft außerhalb der Land- und Forstwirtschaft - wird auch heute noch im Zusammenhang mit dem Familienbetrieb getroffen. In Kyushu weist der typische Betrieb eine Kombination von Reisanbau mit Forstwirtschaft auf, häufig ergänzt durch Pilzzucht. Hier hat die jüngere Generation weniger berufliche Möglichkeiten außerhalb des land- und forstwirtschaftlichen Bereiches als in Deutschland. Die jüngeren Menschen bleiben nicht am Haimatort, sondern gehen in größere Städte, um dort zu arbeiten. Sie planen jedoch, in Zukunft nach Hause zurückzukehren und den Hof zu übernehmen. Für dieses Ziel und nicht für den eigenen Bedarf hält die ältere Generation an Land- und Forstwirtschaft fest. Ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Untersuchungsgebieten liegt im Durchschnittsalter des Waldes. Da die Umtriebszeit der Fichte in Deutschland etwa bei 100 Jahren liegt und die des Sugi (Cryptmeria japonica; Hauptbaumart in Kyushu) bei etwa 50 Jahren liegt, ist das durchschnittliche Alter des Waldes im Schwarzwald etwa 65 Jahre, in Kyushu rund 35 Jahre. Das höhere Bestandesalter im Schwarzwald vermittelt den Betriebsleitern möglicherweise ein Gefühl größere Wertschätzung für ihren Wald und größerer Gelassenheit. 76 % der Betriebsleiter im Schwarzwald und 63 % der Betriebsleiter in Kyushu wurden für die Waldarbeit mehr oder weniger umfangreich ausgebildet. Die Mehrheit der Betriebsleiter arbeitet allein im Wald. Dadurch nehmen sie ein höheres Unfallrisiko in Kauf. Bei der Bewertung der Wichtigkeit der Waldfunktionen für den eigenen Betrieb zeigen sich ähnliche Einstellungen der Betriebsleiter in allen Kollektiven. Für die Mehrheit der Befragten hat der wirtschaftliche Beitrag aus dem Wald einen eher geringen Stellenwert für das Gesamteinkommen. Die nichtwirtschaftlichen Funktionen wurden im allgemeinen als wichtig eingeschätzt. Die Betriebsleiter im Schwarzwald sehen die Waldfunktionen als Vorgabe von außen, während die Betriebsleiter in Kyushu das Gefühl haben, dass sie für die Vermehrung und Verbesserung des Waldes selbst verantwortlich sind. Viele Betriebsleiter sind der Auffassung, dass die Arbeit im Wald einen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz leistet. Dahinter stecken der Gedanke und das Bewußtsein, dass man die Natur nicht nur nutzt, sondern auch etwa zu ihrem Erhalt beiträgt. Für die meisten Betriebsleiter ist das ausgeprägte "Naturgefühl" eine Selbstverständlichkeit, da sie in der freien Natur arbeiten können. Die Bedeutung, die die Waldbesitzer im Schwarzwald dem eigenen Wald für den Tourismus beimessen, zeigt ein Bewußtsein als Mitglied der Gemeinschaft. Für den Betriebsleiter ist es unsicher, ob die Gäste gerade seinen eigenen Wald besuchen. Es ist jedoch sicher, dass die Gäste "seine" Gemeinde besuchen. Auch deshalb erhält er seinen Wald. Ein weiterer Faktor beeinflußt den Forstbetrieb heute und könnte an Bedeutung gewinnen: die Umweltfreundlichkeit der Holzproduktion. Im Gegensatz zur Globalisierung fordert dieser Aspekt einen Markt der kurzen Wege, der wenig Energie für Transport benötigt und das Massenprodukt ablehnt, wenn es nicht umweltschonend produziert wurde. Im Hinblick auf dieses Bewußtsein werden neue Möglichkeiten der Vermarktung gesucht. Zwischen Deutschland und Japan gibt es - wie oben dargestellt - deutliche Unterschiede in der Bewirtschaftung des Waldes, aber die Ursache dafür liegt nicht in einer allgemeinen Volksmentalität, sondern im Charakter des einzelnen Waldbestandes und der geographischen Situation des betroffenen Betriebes. Außerdem wird die Bewirtschaftung des Waldes von der außerbetrieblichen Situation des Holzmarktes bestimmt, der nicht mehr inländisch, sondern global ist. Eine herausragende Gemeinsamkeit im Schwarzwald und in Kyushu ist die Selbständigkeit der Betriebsleiter. Sie wirkt nicht nur auf die emotionale Beziehung zur Arbei im Wald, die ein wichtiger Faktor der Arbeitsbedingungen ist. Wichtiger ist das Zusammenwirken zwischen eigener Verantwortung und der Bestimmung des Arbeitsprozesses, zum Beispiel des Arbeitstempos. Das Leben und Arbeiten im Kleinprivatwald setzt voraus, dass sich der Betriebsleiter nicht über die familiäre Situation und andere Betriebszweige hinwegsetzt, sondern in diesem Kontext selbständig, aber verantwortungsvoll handelt. Die Nachteile der selbständigen Erwerbstätigkeit, wie größeres Risiko oder Schwankungen des Erfolges, treffen auch die Arbeit im Kleinprivatwald. Das Gefüge aus Familie und anderen Betriebszweigen gibt jedoch sozialen und wirtschaftlichen Halt. Die Betriebsleiter im Schwarzwald zeigen eine größere Zufriedenheit mit der derzeitigen Situation als im Kollektiv von Kyushu. Dies kann folgendermaßen interpretiert werden: Im Schwarzwald findet sich ein "Zustand der Maturität". Der Waldbestand und die Arbeitsverfahren stehen in Balance. Auf überregionale Bedingungen, zum Beispiel die Holzmarktssituation, reagiert man unter Umständen unzufrieden, aber sonst findet man das meiste in Ordnung. In Kyushu kann die Situation mit "Mut für die Zukunft" umschrieben werden. Die artikulierte Unzufriedenheit in Kyushu bedeutet nicht "Hoffnungslosigkeit". Die Befragten antworteten mit Zuversicht in Bezug auf weitere Pläne und ohne Kritik gegen die äußere Situation, wenn sie ihre Unzufriedenheit ausdrückten. Hier ist die Unzufriedenheit auch ein Zeichen für das bestehende forstwirtschaftliche Potential, denn der Waldbestand ist noch jünger als im Schwarzwald. Die Grundaussage der meisten Betriebsleiter in beiden untersuchten Regionen ist, dass die Arbeit im Wald zu empfehlen sei. Sie haben den Wunsch, dass ihre Kinder der Forstbetrieb übernehmen, weil sie denken, dass die Kinder durch das Umfeld, in dem sie aufgewachsen sind, den Vorteil eines praktischen und emotionalen Zugangs zur Forstwirtschaft erhalten haben. Gründe da
644.5 (Besitzverhältnisse; Verbindung mit anderen Zweigen der Landwirtschaft oder Industrie) 644.6 (Art der Durchführung des Betriebes (im besonderen die Mitwirkung des Waldeigentümers bei der Holzernte), Vertragsformen) 302 (Mensch und Arbeit (Physiologie und Psychologie). Ergonomie. [Soziale Fragen siehe 96]) 613 (Abtriebsalter und Umtriebszeit; Schnellwuchsbetrieb [siehe auch 238]) 923.4 (Bauernwald, sonstiger Kleinprivatwaldbesitz) [430] (Deutschland, 1990-) [520] (Japan)