Bestimmung genetischer Strukturen für ein genetisches Monitoring am Beispiel des Rothirsches (Cervus elaphus) in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg
Nieren- und Lebergewebe von insgesamt 202 Tieren aus Rotwildgebieten nordöstlich und südwestlich der Trasse der neuen Ostseeautobahn A 20 in Mecklenburg-Vorpommern und dem nordöstlichen Brandenburg wurden mit Hilfe der Stärkegelektrophorese an den drei bekannten Marker-Genorten IDH, SOD und 6-PGD untersucht. Erwartungsgemäß werden die beiden Isoenzyme IDH und SOD durch jeweils einen biallelen Genort codiert. Wie aus früheren biochemisch-genetischen Untersuchungen an Rotwild bekannt ist, konnte auch in den beiden mitteldeutschen Stichproben für den Genort IDH ein typischer Majorpolymorphismus, für SOD ein ausgeprägter Minorpolymorphismus beobachtet werden. Das Enzym 6-PGD zeigte unter allen Tieren keine Variation. Es wird durch das Allel 6-PGD4 codiet, welches im elektrischen Feld der anodalen Isoenzymvariante zugeordnet wird. Mit einem mittleren genetischen Abstand von 11 % an den beiden Marker-Genorten IDH und SOD unterscheidet sich die nordöstliche Stichprobe (N = 110) von der südwestlichen (N = 92) sowohl hinsichtlich ihrer allelischen und genotypischen Struktur als auch hinsichtlich ihrer Verteilung des Heterozygotiegrades über beide Genorte bereits vor dem Abschluß des Autobahnbaus signifikant voneinander. Die beobachteten genetischen Strukturen zeigen an beiden Genorten gleichermaßen weder Homozygotenüberschüsse gegenüber der Hardy-Weinberg-Struktur, noch über beide Genorte (Multilocusbetrachtung) einen Trend zur bevorzugten Assoziation zur Homozygotie. Folglich gibt es keinen Anlaß, als Grund für die gemessenen genetischen Unterschiede bevorzugten Paarungen unter Familienverbänden anzunehmen. Ein Vergleich der Häufigkeit des in Europa per se seltenen Allels SOD4 mit ermittelten Häufigkeiten dieses Allels aus Reanalysen vergleichbarer Untersuchungen (N = 1499) widerlegt die für dieses Allel bislang vermutete klinale Variation von Norden nach Süden. Aufgrund eines fehlenden Musters für die allelische Variation am Genort SOD unter mitteleuropäischem Rotwild wird die Wirkung der genetischen Drift bleiben somit die Forderungen nach größeren, unzerschnittenen Lebensräumen für das Rotwild bestehen.