Die Ausbreitung von Gefäßpflanzen-Diasporen (Samen und Früchte) durch äußerliche Anhaftung ("Epizoochorie") an Rehen und Wildschweinen, den beiden häufigsten Schalenwild-Arten in Mitteleuropa, wurde im 6,5km2 großen Forst Brieselang bei Berlin (Bundesland Brandenburg) untersucht, in dem mesophile Laubwälder vorherrschen. Dazu wurden die Felle und Hufe von 25 geschossenen Rehen und neun Wildschweinen ausgekämmt und die Diasporen anschließend bestimmt. Die Ergebnisse wurden mit der Waldvegetation verglichen. Während Wildschweine große Mengen verschiedener Diasporentypen transportierten, war die Bedeutung von Rehen für die Ausbreitung von Pflanzen auf Grund des glatten Fells und der im Vergleich zum Wildschwein unterschiedlichen Verhaltensweisen wesentlich geringer. Insgesamt wurden 55 Phanerogamenarten epizoochor transportiert. Da nur ein kleiner Teil der ausgebreiteten Pflanzen Waldhabitate bevorzugt, war das Offenland eine mindestens ebenso wichtige Quelle anhaftender Diasporen wie die Waldvegetation. Die meisten Waldpflanzenarten wurden nicht ausgebreitet; insbesondere solche Arten, die ausschließlich in Wäldern wachsen, wurden nicht nachgewiesen. Viele Pflanzenarten sind - vermutlich auf Grund ihrer Diasporenmorphologie - weitgehend vom Transport ausgeschlossen, obwohl sie sehr häufig in der Krautschicht des untersuchten Waldes vorkommen. Daher ist Schalenwild in der Agrarlandschaft Mitteleuropas vermutlich vor allem für die Ausbreitung von Ruderal-, Segetal- und Grünlandpflanzen von Bedeutung. Die Ausbreitung einiger Pflanzenarten der Krautschicht in norddeutschen Wäldern, z.B. Agrostis capillaris, Brachypodium sylvaticum, Deschampsia flexuosa, Galium aparine und Urtica dioica, könnte jedoch wesentlich auf Schalenwild zurückgehen. Obwohl Großsäuger insgesamt ein wichtiger Vektor für die Fernausbreitung von Pflanzen sind, zeigt unsere Studie, dass die meisten charakteristischen Waldbodenpflanzen mesophiler Laubwälder kaum ausgebreitet werden, also nur ein geringes epizoochores Ausbreitungspotenzial aufweisen. Die Bedeutung der Ergebnisse für den Waldnaturschutz und den Waldbau wird diskutiert.