Stand dynamics in Swiss forest reserves. an analysis based on long-term forest reserve data and dynamic modeling by Caroline C. Heiri. ETH : Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich
In Europa hatte die Bewirtschaftung für lange Zeit den grössten Einfluss auf die Struktur und Dynamik der Wälder. Allerdings hat der Anteil unbewirtschafteter Bestände in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen, was vor allem auf die geringere Rentabilität der Holznutzung sowie auf Änderungen in der Naturschutz- und Waldreservatspolitik zurückgeführt werden kann. Nach Bewirtschaftungsaufgabe wird die Walddynamik wieder vorwiegend durch natürliche Prozesse gesteuert. Mit dem Ziel, unser Verständnis der langfristigen Naturwalddynamik zu vertiefen, habe ich in der vorliegenden Dissertation empirische und theoretische Forschungsansätze kombiniert. Dabei wurde der umfassende Datensatz des Waldreservat-Netzwerks der ETH Zürich systematisch ausgewertet, um (1) die Strukturdynamik und Entwicklungsprozesse der natürlichen Waldsukzession nach Aufgabe der Bewirtschaftung zu beschreiben, (2) die beobachteten Entwicklungen mit gängigen Waldsukzessions-Theorien zu vergleichen und (3) das Waldsukzessionsmodell FORCLIM anhand der Waldreservatsdaten rigoros zu testen und zu verbessern.
Kapitel 1. Mit deskriptiven und multivariaten statistischen Methoden habe ich die Waldentwicklung in sechs Buchenwaldreservaten (Fagus sylvatica) im Schweizer Mittelland untersucht. Während der knapp 40 jährigen Beobachtungsdauer hat sich die Durchmesserstruktur der Bäume hin zu grösseren Durchmessern verbreitert, die Bestandesgrundfläche hat zugenommen und es hat sich mehr stehendes Totholz angesammelt. Des Weiteren hat die Buche an Dominanz gewonnen, während gleichzeitig der Baumartenreichtum zurückgegangen ist. Allerdings scheint seit Aufgabe der Bewirtschaftung noch nicht genügend Zeit verstrichen zu sein, um auch ein kleinflächiges Mosaik verschiedener Waldentwicklungsphasen, bzw. spezifische strukturelle Elemente wie dicke lebende oder tote Bäume in diesen Wäldern zu finden. Der beobachtete Baumartenrückgang ging fast ausschliesslich auf Kosten von lichtbedürftigen Arten, wobei die sich verschlechternden Lichtbedingungen im Bestand als Hauptursache dafür identifiziert wurden. Diese Schlussfolgerung wird auch durch das fast komplette Ausbleiben der Verjüngung von Lichtbaumarten gestützt, welches zu einer charakteristisch glockenförmige Verteilung der Stammdurchmesser führte. Schattenbaumarten dagegen wiesen eine unregelmässige oder monoton fallende Durchmesserverteilung auf, was anzeigt, dass sie sich über die gesamte Beobachtungszeit kontinuierlich verjüngen konnten. Weil das Vorkommen der Baumarten allein durch abiotische Faktoren erklären werden konnte, habe ich gefolgert, dass die Baumartenzusammensetzung einer grösseren Region vorwiegend durch die vorherrschenden Umwelteigenschaften bestimmt wird, und dass die früheren Bewirtschaftungsformen gut an die autökologischen Ansprüche der Arten angepasst waren. Kapitel II. Aus fünf fichten- (Picea abies), resp. tannen- (Abies alba) dominierten Gebirgswaldreservaten habe ich 36 Dauerflächen ausgewählt, um anhand der Inventurdaten die Bestandesstruktur und die Artzusammensetzung zu beschreiben sowie deren zeitliche Veränderungen zu analysieren. Anschliessend wurden diese Ergebnisse der weit verbreiteten Waldsukzessions-Theorie von Leibundgut (1993)1 gegenüber gestellt. Die Cluster-Analyse und ein eigens entwickelter Struktur-Index zeigten, dass es eine deutliche Beziehung zwischen Bestandesstruktur (Durchmesserverteilung) und Baumartenzusammensetzung für die frühen und späten Sukzessionsphasen gibt. Für die frühe Sukzessionsphase wurden dabei zwei alternative Entwicklungsverläufe gefunden, was zum Schluss führte, dass in Fichten-Tannenwäldern der Verlauf der frühen Sukzession stark durch die Grösse der sie auslösenden Störung bestimmt wird. Für die frühe, mittlere und späte Optimalphase konnte, im Gegensatz zu Leibundgut, kein Zusammenhang zwischen Bestandesstruktur und Baumartenzusammensetzung festgestellt werden. Die zeitliche Entwicklung der 36 Dauerflächen fügte sich in ein einziges Sukzessionsschema, obwohl sich die fünf Reservate hinsichtlich Klima- und Bodeneigenschaften deutlich unterscheiden. Dies liess darauf schliessen, dass die Sukzessionsdynamik in Fichten-Tannewäldern stärker durch die artspezifischen Eigenschaften als durch den Standort bestimmt wird.
Kapitel III. Die Kombination von empirischen Daten mit dynamischen Modellen erlaubt es einerseits, den betrachteten Zeithorizont deutlich zu verlängern, und andererseits kann das dem Modell zugrunde liegende Verständnis der natürlichen Walddynamik anhand empirischer Daten getestet werden. Für Inventurdaten aus zehn Waldreservaten habe ich überprüft, ob das Gap-Modell FORCLIM die Strukturdynamik eines Bestandes korrekt abbilden kann. Simulationen mit der Modell-Version 2.9.6 haben gezeigt, dass kleine Bäume wegen der zu hohen Stressmortalität deutlich untervertreten sind und schattentolerante Baumarten in der Unterschicht fast gänzlich fehlen. Durch Umformulierung der Hintergrundmortalität konnte das Modellverhalten hinsichtlich der Präsenz kleiner Bäume deutlich verbessert werden, und auch der Anteil schattentoleranter Arten in der Unterschicht hat zugenommen. Die neue Modell Version 2.9.7 unterschätzt jedoch die Anzahl grosser Bäume, was insbesondere an den montanen und subalpinen Simulations-Standorten deutlich wurde. Es hat sich gezeigt, dass für effektive Modelltests und zum Abklären des künftigen Forschungsbedarfs empirische Daten von klimatisch unterschiedlichen Regionen verwendet werden sollten. Es wurde ausserdem gezeigt, dass FORCLIM ein geeignetes Modell ist, um die Entwicklung von Bestandesstrukturen zu untersuchen, obwohl für zuverlässige Schätzungen noch weitere Verbesserungen notwendig sind. Die wichtigsten Verbesserungsvorschläge habe ich kurz beschrieben.