Ökonomische Bewertung von Schutzwaldpflege und technischen Schutzmassnahmen am Beispiel der Rigi-Nordlehne : Ein Beitrag zur Wald-Wild-Diskussion im Schutzwald : Masterarbeit im Rahmen des Masterstudiengangs "Wald- und Landschaftsmanagement" am Departement Umweltwissenschaften der ETH Zürich
Die Rigi-Nordlehne im Kanton Schwyz ist ein äusserst steiles, felsiges, dicht bewaldetes Gebiet am Rand der Voralpen. Die Wälder an deren Hängen haben eine wichtige Schutzfunktion bezüglich der Naturgefahren Steinschlag, Murgang und Lawinen zu erfüllen. Im Vergleich zu technischen Schutzmassnahmen kann der Wald den Schutz der SBB-Bahnlinie und der Autobahn A4 sehr kostengünstig und effizient erbringen. Bereits seit vielen Jahren ist aber bekannt, dass die Verjüngung der Schutzwälder an der Rigi-Nordlehne durch starken Wildverbiss behindert und in Bezug auf die Tanne in weiten Teilen verhindert wird. Auf Grund des Standortes ist aber ein möglichst hoher Tannenanteil aus Sicht der Schutzwaldbewirtschaftung unerlässlich. Durch deren verbissbedingten Ausfall entstehen hohe Kosten für Verbissschutzmassnahmen und technische Schutzmassnahmen, welche die verloren gegangene Waldwirkung zu ersetzen haben. Mit diesen Voraussetzungen stehen die Waldbewirtschafter an der Rigi nicht alleine da: verbissbedingter Verlust an Schutzwirkung von Gebirgswäldern ist in der Schweiz ein verbreitetes Problem. Ziel dieser Arbeit ist es, die Kosten abzuschätzen, welche in den nächsten 50 Jahren für technische Schutzmassnahmen und Verbissschutzmassnahmen im Tannen-Buchenwald an der Rigi-Nordlehne entstehen, wenn der Verbissdruck nicht bald auf ein Niveau gesenkt werden kann, unter welchem auch die Tanne wieder aufwachsen kann. Dabei sollen auch grossflächige Sturmereignisse mit einberechnet werden. Diese Kosten sollen mit den Kosten für die Verbissreduktion mittels jagdlichen Massnahmen verglichen werden. Dafür wird die Methode der Kosten-Wirksamkeitsanalyse gewählt, deren acht Bearbeitungsschritte als allgemeiner Rahmen dienen. Grundlage für die Massnahmenplanung im forstlichen Bereich ist das Waldentwicklungsmodell RIGFOR aus der Masterarbeit von Golo Stadelmann (Stadelmann 2008). Basierend darauf werden mit dem ESRI ArcGis-Modul Model BuilderŃ Modelle erarbeit, anhand derer simuliert wird wo und zu welchen Zeitpunkten zusätzliche Massnahmen zur Unterstützung der natürlichen Waldentwicklung nötig werden und auch tatsächlich machbar sind. Dabei werden die beiden Szenarien mit aktuellem VerbissdruckŃ und mit reduziertem VerbissdruckŃ verwendet. Weiter werden durch eine einfache Jagdplanung jagdliche Massnahmen hergeleitet. Danach werden fünf denkbare Massnahmenkombinationen definiert, welche rein forstliche, rein jagdliche und kombinierte Massnahmen beinhalten. Pro Massnahmenkombination werden die Kosten, welche zu verschiedenen Zeitpunkten anfallen, abgeschätzt und durch Diskontierung vergleichbar gemacht. Weiter wird Wirksamkeit und Risiko jeder Variante beurteilt. Die Varianten werden miteinander verglichen und der Einfluss der unsichersten Annahmen auf die Resultate in Sensitivitätsanalysen überprüft. Als Resultat werden bis 2059 zu erwartende Gesamtkosten für Verbauungen gegen Schneebewegungen im Bereich von 3 Mio SFr hergeleitet. Für Verbissschutz, Pflanzungen und jagdliche Massnahmen sind je nach Variante zwischen 90'000.- SFr und 3.3 Mio SFr zu erwarten (bei Diskontierung mit dem gewählten Zinssatz von 2.6%). Dabei wurden nur Kosten, welche zusätzlich zur eigentlichen Schutzwaldpflege und Wildtierbewirtschaftung anfallen, berücksichtigt. Die Variante mit rein jagdlichen Massnahmen ist zwar am günstigsten, erbringt aber keine genügende Wirkung. Rein forstliche Massnahmen kommen mit grossem Abstand am teuersten zu stehen und tragen ebenfalls nur ungenügend zur Zielerreichung bei. Als Variante mit dem besten Kosten-Wirksamkeitsverhältnis wird die Kombination einer starken Bestandesreduktion um 50% mittels Schwerpunktbejagungen, ergänzt mit Verbissschutzmassnahmen an besonders sensiblen Stellen beurteilt. Diese kommt auf 1.6 Mio SFr zu stehen. Eine Kombination von Verbissschutzmassnahmen und einer Bestandesreduktionen um lediglich 20% schneidet deutlich schlechter ab. Eine Verzögerung der favorisierten Variante um 10 Jahre verursacht im Betrachtungszeitraum Mehrkosten von rund 0.8 Mio Franken. Veränderungen in den getroffenen Annahmen verändern die abgeschätzten Kosten zum Teil deutlich, an der Reihenfolge in der Variantenbeurteilung ändert sich jedoch nichts. Aufgrund von Schwächen des Modells RIGFOR im Bezug auf den Einfluss hoher Verbisschäden auf die Waldentwicklung werden die Kosten einzelner Massnahmenkategorien systematisch unterschätzt. Das Verhältnis zwischen den abgeschätzten Kosten wird indes als durchaus realistisch beurteilt. Die Kosten-Wirksamkeitsanalyse hat sich für diese Art von Fragestellung sehr gut bewährt. Auch das GIS-gestützte Vorgehen bei der Planung der forstlichen Massnahmen wird für diese Art von Fragestellung als gut geeignet beurteilt. Insgesamt wird mit dieser Arbeit gezeigt, dass eine ökonomische Beurteilung von Verbissproblemen möglich ist und es werden sinnvolle Resultate präsentiert, welche vielleicht dazu beitragen können, das dringend zu lösende Verbissproblem an der Rigi-Nordlehne und anderswo zu lösen.