Modellierung von Sturm-, Schnee- und Rotfäulerisiko in Fichtenbeständen auf Einzelbaumebene : Dissertation, Technische Universität München, Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt
Ein erster Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt in der Konstruktion eines Risikomodells der Fichte (Picea abies (Karst.)) zur Simulation von Schadereignissen. Der zweite Schwerpunkt beschreibt die Erarbeitung eines Konzeptes, das die Infektion von Fichtenbeständen durch die Rotfäule (Heterobasidion annosum(FR.)BREF.) in einem Modell nachvollzieht. Beide Modelle haben einen einzelbaumorientierten Ansatz und sind so konstruiert, dass sie in einem Waldwachstumssimulator angewendet werden können. Zu Beginn dieser Arbeit wird die Bedeutung von Sturm- und Schneeschäden für die Fichte hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund werden die Ziele dieser Arbeit vorgestellt. Diese bestehen in modellorientierten Ansätzen, die Aspekte der Konzeption, Parametrisierung, Umsetzung und Validierung einzelbaumorientierter Risikomodelle umfassen. Ein Überblick der Ergebnisse wichtiger Forschungsarbeiten verdeutlichen dies. Es werden die Zusammenhänge möglicher Risikofaktoren in Bezug auf das Sturm- und Schneerisiko aufgezeigt und bestehende Ansätze zur Modellierung vorgestellt. Diese Ansätze werden in expertenbasierte, biometrische und mechanistische Modelle unterteilt. Betrachtet werden sowohl die Fragestellungen als auch die Methoden und Ergebnisse dieser Arbeiten. Die empirische Basis für die eigene Modellkonzepte bilden die Daten der langfristig beobachteten Versuchsflächen des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde der TU München und die Datenbank der permanenten Stichprobeninventur der Bayerischen Staatsforstverwaltung. Beide Datengrundlagen beinhalten sowohl Informationen zum Standort als auch zu den Beständen und Einzelbäumen. Die Versuchsflächen werden ertragskundlich bezüglich ihrer Schäden analysiert. Die einzelnen Schäden können dabei hinsichtlich der Schadursachen Sturm und Schnee untersucht werden. Eine Beschreibung der Schäden in den Forstämtem aus der Stichprobeninventur zeigt, dass in dem betrachteten Zeitraum im Norden Bayerns die geringsten Schäden aufgetreten sind. Im südlichen Teil von Bayern sind die Schäden schwerwiegender. In den Stichprobendaten aus dem Forstamt Landsberg a. L. können die höchsten Schäden am Vorrat registriert werden, die auf die Orkanserie von 1990 zurückzuführen sind. Eine Zuordnung zu Sturm- oder Schneeschäden findet in den Stichprobendaten nicht statt, wobei auf Einzelbaumebene die Schadarten Bruch und Wurf ausgewiesen werden. Im methodischen Teil dieser Arbeit werden die Modellkonzepte zur Modellierung von Sturm- und Schneeschäden auf Einzelbaumbasis vorgestellt. Es wird gezeigt, wie eine Anbindung der Modelle an einen Waldwachstumssimulator möglich ist. Bei der Modellierung werden zwei alternative Ansätze verfolgt. Ausgehend vom Datenmaterial der langfristig beobachteten Versuchsflächen des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde bietet sich für den ersten Ansatz eine Einzelbaummodellierung an, die zwischen dem Risiko von Sturm- und Schneeschäden unterscheidet. Das zweite Modellkonzept nutzt als Grundlage die Daten der permanenten Stichprobeninventur zur Modellierung des Einzelbaumrisikos. Dieses Modell unterscheidet die Schadarten Bruch und Wurf. Beide Modellkonzepte sind mit einem Eintrittswahrscheinlichkeits-Modell verbunden. Dieses beschreibt in Abhängigkeit von der Zeit die Häufigkeit von Sturm- und Schneeschäden. Das Eintrittswahrscheinlichkeits-Modell bietet sowohl eine manuelle als auch eine automatisierte Einsteuerung der Eintrittswahrscheinlichkeit an. Das Einzelbaum-Stabilitäts-Modell und das Schadmengen-Modell bilden die weiteren Komponenten des ersten Modellkonzeptes. Mit dem Einzelbaum-Stabilitäts-Modell wird eine Klassifikationsfunktion zur Trennung von stabilen und instabilen Bäumen parametrisiert. In diesem Modell wird das Einzelbaumrisiko mit der Methode der logistischen Regression modelliert. Es soll auf Grund der Einzelbaum- und Bestandesmerkmale, die die Ausgangssituation eines Baumes zu Beginn der Prognoseperiode beschreiben, eine dichotome Entscheidung treffen, ob der Baum die Folgeperiode unbeschädigt überlebt oder nicht. Das zweite Teilmodell ist das Schadmengen-Modell. Es wird ausgearbeitet, um die zu erwartende vorratsbezogene Schadmenge für eine 10-jährige Periode in Abhängigkeit von Standorts- und Bestandesfaktoren zu prognostizieren. Das Schadmengen-Modell leitet sich aus den permanenten Stichprobendaten ab und wird über Regressionsanalysen parametrisiert. Das zweite Modellkonzept zur Modellierung des Risikos auf Einzelbaumbasis ist das Einzelbaum-Überlebenswahrscheinlichkeits-Modell (EÜ-Modell). Dieser Modellansatz ordnet den Eigenschaften eines Baumes in Abhängigkeit vom Bestand und Standort in Bruch und Wurf getrennte Überlebenswahrscheinlichkeiten zu. Dabei wurde mit der Cox-Regression eine hauptsächlich in der Medizin eingesetzte Methode für diesen Zweck verwendet. Die Ergebnisse der Modellierung zeigen, dass die Baumhöhe ein wichtiger Faktor bezüglich des Risikos eines Bruchs oder eines Wurfes ist. Weiterhin ergab sich, dass mit zunehmender Bestandesdifferenzierung die Bedeutung des Brusthöhendurchmessers (Bhd) ansteigt. Dabei wirkt ein Bhd über dem Mitteldurchmesser des Bestandes Risiko mindernd. Weitere Risikofaktoren sind die Seehöhe und der Standortsfaktor Wasserhaushalt. Mit zunehmender Seehöhe steigt die Wahrscheinlichkeit eines Bruches, während die eines Wurfes abnimmt. Auf wechselfeuchten bis nassen Standorten erhöht sich das Wurfrisiko. Nach der Parametrisierung der beiden Modellkonzepte zeigt sich, dass das EÜ-Modell auf Einzelbaumbasis biologisch plausible Schätzungen von Bruch und Wurfschäden liefert. Nach der Integration des EÜ-Modells in den Waldwachstumssimulator SILVA zeigen Simulationsläufe den Einfluss des Risikos auf die Bestandesentwicklung. In einer Simulationsreihe werden drei unterschiedliche Behandlungsvarianten zu festgesetzten Schadeintrittspunkten miteinander verglichen. Anhand der Ergebnisse wird deutlich, dass in allen Behandlungsvarianten Bruch- und Wurfschäden zu verzeichnen sind. Die bedeutensten Schäden sind in unbehandelten Beständen zu erkennen, während niederdurchforstete Bestände etwas niedrigere Schäden aufweisen. In den Z-Baum durchforsteten Beständen ist die Schadmenge am geringsten. In einer zweiten Simulationsreihe werden die Schadeintrittspunkte von dem EÜ-Modell zufällig gewählt. Es wird deutlich, dass Schäden erst ab einem hohen Bestandesalter als gravierend zu betrachten sind. Bis dahin können Schäden im Vergleich zur Bestandesentwicklung ohne Schadeinwirkung zu großen Teilen kompensiert werden. Treffen zwei Schadereignisse in kurzem Zeitabstand von 10-20 Jahren aufeinander, kann es zu einer Zerstörung der Bestände kommen.