Blattphysiognomie als Indikator für Umweltparameter : Eine Analyse rezenter und fossiler Floren : Dissertation , Eberhard-Karls Universität Tübingen, Geowissenschaftlichen Fakultät
Blattphysiognomische Merkmale in der Vegetation, wie z. B. die Blattgröße, Blattform und Blattrand, werden von den jeweiligen Umweltbedingungen eines Standortes entscheidend beeinflußt. Die Vegetation kann über diese Beziehung von Umwelt und Blattphysiognomie auch umgekehrt als Indikator für Umweltverhältnisse dienen. Diese Studie untersucht den Zusammenhang von blattphysiognomischen Merkmalen und verschiedenen Umweltparametern in der europäischen Vegetation anhand von Laubgehölzen. Hierfür wurde ein Kalibrations-Rasterdatensatz erstellt, der floristische und Umweltdaten vereinigt. Die blattphysiognomischen Daten basieren auf synthetischen Florenlisten; die Umweltdaten umfassen klimatologische und vegetationsökologische Daten. Aufgrund der hohen Rasterdatendichte lassen sich Verteilungsmuster dieser Parameter für den europäischen Raum darstellen und die Zusammenhänge analysieren. Die Untersuchung der Zusammenhänge von Umweltparametern und physiognomischen Blattmerkmalen in der Vegetation zeigt eine hohe Korrelation von temperaturbezogenen Umweltparametern, wie z. B. der mittleren Jahrestemperatur oder der Anzahl der Frosttage mit der Ausprägung einiger Blattparameter wie z.B. der Laminabasis und dem Blattrandtyp. Dagegen lassen Niederschlagsparameter, wie z. B. der mittlere Jahresniederschlag, keine deutliche Korrelation mit der blattphysiognomischen Zusammensetzung der Vegetation erkennen. Die Identifizierung dieser Zusammenhänge werden genutzt, um anhand von Transferfunktionen Abschätzungen für verschiedene Umweltparameter aus der blattphysiognomischen Zusammensetzung der rezenten Vegetation zu erhalten. Ferner wurde der Datensatz anhand einer Cluster-Analyse in bezug auf die blattphysiognomische Zusammensetzung untersucht, wobei charakteristische „blattphysiognomische Vergesellschaftungen“ aufgedeckt wurden, die zur Klassifikation verschiedener Vegetationstypen herangezogen werden können. Innerhalb dieser „blattphysiognomischen Klassen“ zeigt sich eine deutlich Zunahme der blattphysiognomischen Diversität mit zunehmender Variabilität der Umweltparameter. So sind „nördliche“ Vegetationstypen durch eine relativ homogene blattphysiognomische Zusammensetzung gekennzeichnet, während „südliche“ (mediterrane) Vegetationstypen eine erheblich größere blattphysiognomische Diversität erkennen lassen. Schließlich wurden die an der rezenten Vegetation erstellten Transferfunktionen zur Abschätzung von Paläoumweltverhältnissen anhand von drei fossilen Blattfloren aus dem europäischen Tertiär benutzt. Hierbei kamen verschiedene Rekonstruktionsmethoden zur Anwendung, wobei ein direktes lineares Ordinationsverfahren zu den realistischsten Ergebnissen führt, da diese Abschätzungen mit alternativen Rekonstruktionsmethoden, wie z.B. der Koexistenz-Methode, hohe Übereinstimmungen aufweisen.